Jäger der Dämmerung
Kontakt auf, stimmt’s?«
»Was?« Erin schüttelte den Kopf.
»Ich habe sein Muster gesehen. Die Übergriffe auf Leute aus Ihrem Umfeld. Wenn jemand Sie verletzte, ärgerte oder Ihnen sonst wie zusetzte, griff er an. Mit diesem Fall brachen alle Strukturen weg. Sie kämpften allein, wurden vom Richter und vom Verteidiger herumgeschubst – und der Kerl trat in Aktion … gegen Sie.«
Jude legte eine Hand auf Erins Schulter. »Stimmt das, dass er da zum ersten Mal Kontakt aufgenommen hat?« In Sachen Recherche war Dee die Beste, die er kannte – und natürlich die beste Angreiferin, die er je bei einer Kneipenschlägerei erlebt hatte.
Erin nickte. »Jaja. Ich hatte drei Fälle parallel bearbeitet, aber der Trent-Fall war der schlimmste.« Frust und Wut schwangen in ihren Worten mit.
Dee tippte sich ans Kinn. »Er hat Sie bei diesem Fall entdeckt.« Ihr Blick wanderte zu Jude, als sie sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte. Vollkommen ruhig und scheinbar sorglos. »Jude, ich würde wetten, wenn du nach Lillian fährst und deine übliche Finesse benutzt, findest du den Typen über diesen Fall.«
Die Bestie in ihm zerrte an ihrer Leine. Jagen . »Oh ja, ich bin sicher, dass mich meine Finesse in Lillian weiterbringt.« Finesse war der Slangausdruck für Beißen und Kratzen, bis man die richtigen Antworten hatte. »Wie es aussieht, mache ich einen kleinen Ausflug.«
»Du meinst wir «, sagte Erin entschlossen.
Dee machte große Augen. »Na ja, Zivilisten gehen normalerweise nicht auf die Jagd.«
Erin schenkte ihr ein Bilderbuchlächeln und knallte die Hand auf Dees Tisch, so dass sich ihre Krallen ins Holz bohrten. »Die gängigen Zivilisten gewiss nicht.«
»Verdammt!« Dee funkelte die beiden wütend an. »Das ist ein neuer Schreibtisch, kapiert? Und ich erwarte, dass er auch so aussieht! Das zeige ich Pak, verlass dich drauf!«
Erin zog ihre zarte Hand zurück, an der keine Spur mehr von Krallen zu sehen war. Nicht schlecht. »Ich komme mit dir«, sagte sie zu ihm.
Trotz der kleinen Vorstellung eben schüttelte er den Kopf. Bei dieser Geschichte reichten Krallen allein nicht. »Nein.«
»Ich bezahle dich. Ich komme mit.«
Er stellte die Beine leicht auseinander und sah sie an. »Zweimal hatte ich Klienten, die unbedingt beim Showdown dabei sein wollten. Der Erste endete mit zwei gebrochenen Armen und einer Gehirnerschütterung.«
»Weil die Jagd nichts für Zivilisten ist«, flötete Dee.
Erin zuckte nicht einmal mit der Wimper.
»Der Zweite starb.«
Nun öffnete sie den Mund, sagte aber nichts.
»Zum Glück für ihn konnte ich ihn zurückholen«, fuhr Jude fort. Aber die fünf Minuten lang, in denen der Mann leblos dalag, war Jude höllisch nervös gewesen. Ein toter Klient zahlte nicht.
»Weil die Jagd nichts für Zivilisten ist«, wiederholte die allzeit hilfsbereite Dee.
Erins Nasenflügel bebten. »Ich bin es leid, tatenlos zuzusehen und Angst zu haben. Das muss sich endlich ändern. Außerdem kenne ich die Stadt und habe Beziehungen, die du nicht hast. Ich kann dir helfen.«
»Du kannst dabei draufgehen.« Und wenn sie ihm entglitt, nun, höllisch nervös würde es nicht annähernd beschreiben.
»Und wenn ich ohne dich hierbleibe, wer sagt dir, dass er die Gelegenheit nicht nutzen wird, um an mich heranzukommen?«
»Falls er kommt, bin ich an deiner Seite.« Zane kam hereingeschlendert und blieb unweit des mittlerweile recht ramponierten Schreibtisches stehen.
»Ganz sicher nicht!« Erin schüttelte den Kopf, dass ihre Haare flogen.
»Ich kann das gestern erklären.«
»Kommt nicht infrage!« Sie hob eine Hand. »Und nicht wegen des Mists von gestern, sondern weil du mit dem Kerl nicht fertig wirst.«
»Treffer, versenkt«, murmelte Dee, die offenbar Mühe hatte, sich ein Grinsen zu verkneifen.
Zane sah beleidigt aus. »Der Tag, an dem ich mit einem Gestaltwandler nicht fertigwerde, ist der …«
»Er ist ein Wolf.«
»… an dem ihr mich begraben könnt. Was? Ein Wolfswandler? « Das war weniger Furcht als Schrecken.
Dee stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich bin ja so neidisch! Du kriegst immer die spaßigsten Nummern, Jude.«
Er warf ihr einen fragenden Blick zu. Die Frau brauchte dringend eine Therapie.
»Wie mächtig bist du, Dämon?«, fragte Erin und das sehr laut. Anscheinend hatte sie jede Diskretion in den Wind geschrieben. Jude war nur froh, dass das Büro praktisch verlassen war, denn die meisten Agenten waren unterwegs, um Kautionsflüchtlinge zu jagen.
Dee lachte.
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