Jäger der Macht: Roman (German Edition)
behandelt worden. Die Leute hatten ihn gehasst, während er sie beschützt hatte. Jetzt liebten sie ihn, obwohl er sie ausraubte. Das war verblüffend, aber es tat gut, nicht mehr gehasst zu werden. Gefürchtet – ja, aber nicht gehasst.
» Was sollen wir denn jetzt tun?«, fragte Tarson.
» Nichts«, antwortete Miles. » Vermutlich ahnt Wax nicht, dass ich weiß, dass er hier ist. Das verschafft uns einen Vorteil.«
» Aber …«
» Hier können wir den Waggon nicht öffnen«, erklärte Miles. » Darum geht es doch gerade. Dazu brauchen wir unsere Werkstatt.« Er verstummte und fuhr dann fort: » Allerdings könnten wir den ganzen Wagen einfach in den Kanal werfen. Ich frage mich, ob Wax die Tür von innen öffnen kann, falls etwas schiefgeht.«
» Ich glaube nicht, dass es Meister Schick gefiele, wenn wir den Wagen versenken, Boss«, sagte Tarson. » Es muss verdammt teuer für ihn gewesen sein, dieses Duplikat herzustellen.«
» Ja. Und leider ist der Kanal nur etwa vierzehn Fuß tief. Wenn wir den Wagen wirklich abladen, werden wir ihn nicht rechtzeitig wieder aus dem Wasser bekommen, bevor ein Schiff mit ihm zusammenstößt und auf diese Weise herauskommt, was wir mit ihm gemacht haben. Schade.«
Waxilliums Tod wäre den Verlust der Ladung wert. Meister Schick begriff nicht, wie gefährlich dieser Mann war. Er tat zwar so, als wüsste er es, aber wenn ihm wirklich bekannt wäre, wie gefährlich und erfolgreich Wax war, hätte er diesen besonderen Raubzug niemals zugelassen. Er hätte die Operation aufgehalten und sich aus der Stadt zurückgezogen. Und Miles wäre ausnahmsweise damit einverstanden gewesen.
Denn das hätte bedeutet, dass es nicht zum Kampf käme.
Sie glitten mit dem Eisenbahnwaggon samt Ladung und Insassen in die Stadt hinein – fast so, als wäre Wax der Herrscher über diesen großartigen Wagen. Er hockte in einer beinahe uneinnehmbaren Festung, die ihn vor dem Dutzend Männer auf dem Schiff schützte, von denen jeder einzelne ihn liebend gern umgebracht hätte.
Meister Schicks zwei Aufpasser – die sich Drücker und Zieher nannten – gesellten sich zu Miles am Bug des Schiffes. Doch er redete nicht mit ihnen. Zusammen schwammen sie durch Elantel. Die Straßenlaternen säumten den Kanal als grellweiße Feuerreihen im Nebel. Andere Lichter glitzerten hoch am Himmel; sie drangen aus den Fenstern der Häuser, die der Nebel verhüllt hatte.
In der Nähe unterhielten sich einige seiner Männer im Flüsterton. Die meisten betrachteten den Nebel als böses Omen, obwohl mindestens zwei der Hauptreligionen ihn als Manifestation des Göttlichen bezeichneten. Miles wusste nicht recht, was er von diesem Nebel halten sollte. Manche behaupteten, er verstärke die allomantische Kraft, aber seine eigenen Fähigkeiten waren bereits so stark, wie sie nur sein konnten.
Die Kirche des Überlebenden lehrte, dass der Nebel ihm gehöre – Kelsier, dem Herrn des Nebels. Er erschien des Nachts, wenn der Nebel dicht war, und gab allen Unabhängigen seinen Segen, gleichgültig ob es sich um Diebe, Gelehrte, Anarchisten oder gar um Bauern handelte, die auf dem eigenen Land lebten. Jeder, der aus eigener Kraft überlebte – oder wer dies glaubte –, war ein Anhänger des Überlebenden, ob er es wusste oder nicht.
Das ist wieder etwas, das die gegenwärtige herrschende Klasse verhöhnt, dachte Miles. Viele ihrer Angehörigen behaupteten, Mitglieder der Kirche des Überlebenden zu sein, aber sie hielten ihre Untergebenen davon ab, selbstständig zu denken. Miles schüttelte den Kopf. Nun, er folgte dem Überlebenden nicht länger. Er hatte etwas Besseres gefunden – etwas, das ihm richtiger erschien.
Sie fuhren am äußeren Ring des Vierten und Fünften Oktanten entlang. Zwei massige Häuser standen sich am Kanal gegenüber; ihre Spitzen waren im Nebel verschwunden. Das eine war der Tekiel-Turm, das andere der Eisendorn.
Der Kai für das Frachtgut am Eisendorn lag an einer Abzweigung des Kanals. Sie steuerten das Schiff dort hinein, kamen langsam zum Stillstand und benutzten den Kran am Kaiufer, um den Waggon von Bord zu hieven. Schließlich war es offiziell bloß ein gewaltiger Steinblock. Langsam schwebte er durch die Luft und wurde dann sanft auf die Plattform gesetzt.
Miles sprang vom Schiff und ging zu der Plattform hinüber; Drücker und Zieher begleiteten ihn. Der Rest seiner Männer stellte sich um ihn herum auf und wirkte äußerst zufrieden. Einige machten Scherze über den Bonus, den sie
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