Jäger der Macht: Roman (German Edition)
gerecht.«
Sie schlang sich das Gewehr über den Rücken und eilte den Berg hinunter. » Als ich die Berichte über Sie gelesen habe, wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass Sie sich so oft beschweren.«
» Das ist ebenfalls ungerecht. Sie müssen wissen, dass ich auf meine fröhliche und optimistische Art stolz bin.«
Sie blieb stehen, warf einen Blick zurück auf ihn und hob eine Braue. » Darauf sind Sie stolz?«
Er legte die Hand gegen die Brust und sagte mit beinahe priesterlichem Tonfall: » Ja, aber Stolz ist etwas Schlechtes. In der letzten Zeit habe ich versucht, etwas demütiger zu sein. Beeilen Sie sich. Wir verlieren sie. Wollen Sie etwa, dass Wax in die Enge getrieben wird und sich seinem Schicksal allein stellen muss? Donnerwetter, Frau!«
Sie schüttelte den Kopf, drehte sich wieder um und lief weiter den Hang hinunter, bis zu der Stelle, wo ihre Pferde angebunden waren.
Miles hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und stand am vorderen Ende der Maschine, die still durch den Kanal glitt. Diese Mischung aus Schiff und Kran war zwar nicht ganz das, was er sich vorgestellt hatte, als er Meister Schick seinen Plan erläutert hatte, aber sie kam seinen Wünschen immerhin nahe.
Er war stolz auf das, was er getan hatte. Er war nicht nur zum Dieb geworden, sondern hatte auch die Fantasie der Menschen angeregt. Schick konnte über die Theatralik der Überfälle sagen, was er wollte – sie funktionierte. Die Polizei hatte keine Ahnung, wie er diese Diebstähle durchführte.
» Sie haben sich um alle sechs Tekiel-Wachen gekümmert, Boss«, sagte Tarson und trat neben ihn. Er trug den Arm nicht mehr in der Schlinge. Weißblechbegabte verfügten über große Heilkräfte. Sie waren zwar nicht so groß wie die von Miles, aber dennoch beachtlich. Natürlich schwebten die Weißblechbegabten auch stets in der Gefahr, sich selbst umzubringen, da sie nicht bemerkten, wann ihr Körper erschöpft war. Es war eine gefährliche Kunst, bei der die Menschen so schnell verbrannten wie das Metall der Allomanten.
» Auch um die Lokomotivführer«, sagte Tarson weiter. » Im letzten Passagierwagen haben sie noch ein paar Wachen gefunden, die unbedingt miterleben wollten, wie wir an die Ladung herankommen. Wir haben sie erschossen. Das heißt wohl, dass wir es geschafft haben.«
» Noch nicht«, sagte Miles leise und blickte nach vorn in die Dunkelheit, während sie durch den Nebel glitten. Das Schiff wurde unter Wasser von zwei langsam drehenden Propellern angetrieben. » Waxillium weiß, wie wir es gemacht haben.«
Tarson wurde unsicher. » Hm, glauben Sie das wirklich?«
» Ja«, sagte Miles beiläufig. » Er befindet sich in dem Eisenbahnwaggon.«
» Was?« Tarson drehte sich herum und betrachtete den großen Waggon, der mitten auf dem Schiff stand. Miles hörte, wie ihn einige Männer aus seiner Mannschaft mit einer Plane abdeckten, damit er unsichtbar war, wenn sie in die Stadt kamen. Nun würde dieses Schiff vollkommen gewöhnlich aussehen; die Waffen und der Ballast waren unter weiteren Planen verborgen, so dass das Ganze wie eine Ladung aus den Steinbrüchen wirkte. Miles hatte sogar entsprechende Ladepapiere und eine Lagergenehmigung, und unter einigen Planen befanden sich tatsächlich Bruchsteine.
» Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat«, sagte Miles, » aber er ist da drin. Wax denkt wie ein Gesetzeshüter. Das ist der beste Weg, unser Versteck zu finden – man begibt sich zu der Ladung, die gestohlen werden soll, auch wenn man nicht genau weiß, wie das geschehen wird.« Er hielt kurz inne. » Nein. Er wird erraten haben, wie wir es machen. Das ist die Gefahr, in der man schwebt, wenn man so gut ist wie er. Oder so gut, wie ich einmal war. Man denkt allmählich selbst wie ein Verbrecher.«
Sogar besser als ein Verbrecher.
Eigentlich war es erstaunlich, dass sich nur so wenige Gesetzeshüter dem Verbrechen zuwandten. Wenn man andauernd sah, wie etwas falsch gemacht wurde, dann wollte man es am Ende richtig machen. Miles hatte schon vor zehn Jahren begonnen, diese Überfälle zu planen, damals, als er erkannt hatte, dass sich alle Sicherheitsmaßnahmen der Eisenbahn nur auf die Waggons bezogen. Zuerst war es bloß ein Gedankenexperiment gewesen. Auch darauf war er stolz. Aber er hatte seine Pläne ausgeführt, und zwar sehr gut. Und die Leute … er war durch die Stadt geschlendert und hatte gelauscht. Sie sprachen mit Ehrfurcht von den Verschwindern.
Im Rauland war er niemals so
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