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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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Körper als er? Konnten sie den alten Mann anmachen, und er konnte es nicht?
    Langsam, die Augen auf Mr. Grover gerichtet, knöpfte er sein Hemd auf und ließ es zu Boden fallen. Er fühlte die Wärme des Feuers auf seinem Rücken und verlagerte seine Haltung etwas, so daß Mr. Grover das Spiel der flackernden Flammen auf dem Umriß seines Oberkörpers sehen konnte. Mr. Grover sah ihn an, ja, aber sein Blick war so verschwommen, als ob Kevins Körper ganz weit weg wäre. Kevin bückte sich, schnürte seine Turnschuhe auf, zog sie aus und schälte sich auch gleich aus seinen Socken. Der schwere Teppich vor dem Kamin fühlte sich wohlig unter seinen Füßen an. Kevin streckte sich. Mr. Grover würde schon bald sehen, was er sich Tolles von der Hafenstraße mitgenommen hatte.
    Er machte seinen Gürtel auf und ließ die Hosen auf den Fußboden fallen. Sein Glied hing flach zwischen seinen Beinen, und doch spürte er eine angenehme Erleichterung. Die Wärme des Feuers hüllte nun seinen Körper ein. Mr. Grover beobachtete ihn, und seine Augen sahen nun nicht mehr so verschwommen aus. Trotz der Eigenartigkeit dieser Wohnung war Kevin nun eins mit sich. Er sah lockend in Mr. Grovers Augen, erprobte seine Macht. Als der Blick des Mannes gespannter wurde, überkam Kevin ein Gefühl von Selbstsicherheit. Er ging einen Schritt näher an Mr. Grover heran, aber der rührte sich nicht. Dennoch war Kevin bewußt, daß er bewundert wurde.
    Kevin sprang auf die Couch, drückte seinen Rücken gegen Mr. Grovers Schulter und streckte seine Beine auf dem weichen Polster lang aus. Den Blick aufs Feuer gewandt, sagte Kevin: «Erzählen Sie mir eine Geschichte.»
    Er fühlte, wie sich die Schulter bewegte. Er sah sich kurz um und sah, daß Mr. Grover lächelte. Er legte einen Arm über Kevins Schulter, und die kräftige Hand ruhte auf Kevins Brust. Kevin legte eine Hand auf die Hand des Mannes; er spürte die hervorstehenden Knochen und Sehnen und die pergamentartige Haut.
    Mr. Grover räusperte sich. «Was für eine Geschichte möchtest du hören?»
    Kevin zuckte mit den Achseln. «Irgendeine. Zum Beispiel aus Ihrer Kindheit.»
    «Das liegt eine lange Zeit zurück.»
    «Aber Sie erinnern sich daran, nicht wahr?»
    «O ja.» Er nippte an seiner Bierdose. «Wenn man aus seinem Zuhause in Fort Bridger, Wyoming, rausgeworfen wird und sich mit dreizehn in der Gegend herumtreiben muß, das bleibt einem schon im Gedächtnis haften.»
    Kevin schluckte. «Das ist Ihnen passiert?»
    «Jawohl.»
    «Und ich dachte, daß es mir schlimm ginge...»
    Mr. Grover reckte seinen hageren Körper gegen die Rückenlehne der Couch. «Ach, es war gar nicht so schlimm, wenn ich so drüber nachdenke. Ich hatte den alten Ben, und das Land, wo Milch und Honig fließen, lag gleich hinter den Sieben Bergen.»
    Kevin wurde jetzt sehr neugierig. «Was meinen Sie? Erklären Sie es mir.» Pause. «Wer war der alte Ben?»
    «Er war mein Ritter, und ich war sein Knappe.»
    «Was ist das denn?»
    «N... u... n, ‘ne ganze Menge, von dem nicht alles allgemein bekannt ist, schon gar nicht unter den Baptisten in den 20er Jahren. Aber wenn ein Junge auf der Straße sitzt, braucht er einen Mann, der sich um ihn kümmert, der ihm zeigt, wie man sich was zu essen organisiert, der ihm zeigt, wie man sich auf Güterzüge schleicht, der ihm zeigt, wie man die Bullen an der Nase rumführt, und der in ihm den Glauben wach hält, daß es irgendwo draußen ein Paradies gibt, mit Bäumen voller Zigaretten und mit sprudelnden Limonade‐Brunnen.»
    «Bäume voller Zigaretten?»
    «Aber ja, und die Hennen legen weichgekochte Eier.» Kevin setzte sich auf. «Sie nehmen mich auf den Arm?»
    «Nein, mein Herr. Das gibt es alles im Land, wo Milch und Honig fließen. Nur, der alte Ben und ich konnten es nie finden. Sind weit herumgekommen. Wyoming. Montana. Colorado und Utah. Über die Sieben Berge. Aber das Paradies haben wir nie gefunden.»
    Kevin war verwirrt. «Hat er Sie bezahlt?»
    «Wer?»
    «Der alte Ben.»
    «Mich bezahlt?»
    «Ja, weil Sie mit ihm rumgezogen sind.»
    Der Mann warf seinen Kopf nach hinten und lachte schallend.
    «Der alte Ben hatte noch nicht mal einen Pißpott, geschweige denn, daß er mir was zahlen konnte!»
    «Aber Sie sind bei ihm geblieben.»
    «Natürlich, ich brauchte ihn.» Seine Stimme wurde leiser. «Genauso, wie er mich brauchte.»
    «Haben Sie... nun...», stotterte Kevin.
    «Mit ihm geschlafen? Natürlich. Ich war sein Knappe. Abgesehen davon, wenn du in

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