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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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einem Gebirgsjoch steckst, dann ist es besser, du hast jemanden bei dir, der dich wärmt, oder du frierst dich zu Tode. Zum Teufel, ein Junge ist allemal besser als ein Maultier, und ich glaube, ich hab’ als Junge ziemlich hübsch ausgesehen.
    Zumindest dachte der alte Ben das, und das war alles, was für mich zählte.»
    Kevin blickte über seine Schulter in Mr. Grovers Gesicht und sah darin im flackernden Licht des Kamins die tief eingegrabenen Furchen. Und wie er es sich länger betrachtete, glätteten sich in seiner Fantasie die Furchen und Falten, und das Gesicht eines Jungen, dem seinen nicht unähnlich, erschien. Seine Gedanken wanderten in eine ferne Zeit, und er fuhr sich mit der Hand über sein eigenes Gesicht, um sich zu vergewissern, daß es noch so glatt und sanft war wie vor einigen Stunden, als er es im Spiegel betrachtet hatte. Dennoch, das knochige Gebilde, das er ertastete – Stirn, Wangenknochen, Kiefer –, schien das Ebenbild dessen zu sein, was er im Schein der Flammen im Gesicht des alten Mannes zu sehen schien. In diesem Mann steckte ein Junge.
    Die heisere Stimme fuhr fort. «Wir pflegten uns unter alten Decken zusammen zu kauern, unter Zeitungen, Teerpappe, was immer wir finden konnten. Ich öffnete meinen Gürtel und einige Knöpfe an meinem Hosenschlitz, so daß der alte Ben gerade hineinlangen konnte; und dann habe ich mich an ihn gekuschelt und seine schwielige Hand gespürt...»
    Kevin spürte, wie die Hand des Mannes von seiner Schulter glitt und sich fest um sein Glied schloß.
    «... wie sie meinen Schwanz umfaßte. Ich hatte sie irgendwie gern da. Es war leichter einzuschlafen, wenn er mich festhielt.»
    Kevin bekam einen Steifen .
    Es lag schon so lange zurück. Und doch war es gerade erst passiert. Als Kevin von Mr. Grovers Wohnung zur Burkett Street zurückging, grübelte er über die irgendwie merkwürdige Wahrheit nach, die in allem lag. Mr. Grover war der Knappe des alten Ben gewesen. Nun war er für einen Abend Mr. Grovers Knappe gewesen. War es damals wirklich alles so geschehen? Sobald er darüber nachdachte, wurde ihm klar, daß es so gewesen sein mußte. Aber es war schwierig, von der Überzeugung loszukommen, daß einige Jungs in der Hafenstraße die ganze Angelegenheit – von wegen Männer, die mit Männern schlafen – vor einem Jahr oder so erfunden hatten.
    Immerhin, zwei Landstreicher unterwegs und keine Frau in greifbarer Nähe. Wen ging’s was an? Das war eine Sache. Aber ein Mann wie Sam? Das war eine andere Sache. Sam mußte einer Menge Leute was bedeuten. Einschließlich Frauen. Frauen, die er haben konnte, wenn er wollte. Hatte es schon immer Menschen wie Sam gegeben? Aber, wenn es so war, wer hatte je von ihnen gehört? Er war felsenfest überzeugt, daß Mr. Graham ihm das nicht sagen würde! Er fragte sich, ob Mr. Graham je vom Land, wo Milch und Honig fließen, gehört hatte, und wußte er von solchen Leuten, die davon träumten?
    Kevin dachte an das Segelschiff, die Mirabelle, die unten am Hafen an der Mole lag. Wohin war sie schon gesegelt? Bali? Sansibar? Oder zu einer Insel in der Südsee, wo Milch und Honig flössen? Wer war mitgesegelt? Was wäre ihm auf einer Reise passiert? Wäre er der Knappe des Kapitäns gewesen?
    Kevin malte sich seinen Kapitän in der Fantasie aus – er sähe aus wie Mr. Grover, stände am Steuerrad auf dem Heck der Mirabelle, die Mütze tief in die Stirn gezogen, und würde mit zusammengekniffenen Augen zu den geblähten Segeln aufsehen. Und wo würde er sein? Irgendwo unter Deck, das Messing in der Kajüte des Kapitäns polierend, wartend...
    War es so, damals? Machte Mr. Graham im Geschichtsunterricht nur Witze, wenn er über all diese Leute sprach, die so aufrecht, anständig und geradeheraus waren? Mr. Grover hatte das erlebt. Er wußte Bescheid. Irgendwie fühlte sich Kevin durch die Tatsache, daß Mr. Grover Bescheid wußte und daß er alt war, um einiges wohler. So jemand wie er hatte das erlebt. Jemand wie er war ein Teil der Geschichte, über die Mr. Graham sprach, obwohl Mr. Graham das nie so zum Ausdruck gebracht hatte. Die Straßen, auf denen er nach Hause schritt, waren von anderen, die ihm glichen, beschritten worden – vor vielen, vielen Jahren. Es war nur, daß sie schweigend gegangen waren, wie die Gestalten, die er am Jefferson Square gesehen hatte.
    Nun dachte er auch anders über die Hafenstraße. Nun waren die Masten der Mirabelle überwältigende Wirklichkeit. Er gehörte dazu. All die schweigenden

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