Jäger des Einhorns
zahllose Fragen, bekamen gute Auskünfte und solche, die völlig unbrauchbar waren.
Je mehr sie sahen, desto sicherer konnten sie sein, daß es selbst mit fünfzig Schiffen und deren Kriegern sehr schwer, wenn nicht unmöglich sein würde, diese Stadt zu erobern.
*
Casay, der Magier des sechsten Grades, breitete seine Hände aus und spreizte die Finger. Er strich vorsichtig über den Staub an Heserts Unterarm und betrachtete dann sinnend seine Fingerkuppe.
»Erzähle mir«, bat er, »was der Sohn des Kometen tat, was er sagte, wie er sich verhielt.«
Hesert hatte diese und ähnliche Fragen erwartet, seit dem Moment, an dem er seinen Fuß auf die Steine dieses Hafens gesetzt hatte. Er begann langsam zu sprechen und erzählte eine Geschichte, in der viel Dichtung und wenig Wahrheit vorkam – er wußte von Lyrland sehr wenig. Aber Casay glaubte ihm jedes seiner Worte, zumal sich Hesert mehrmals darauf berief, daß den Luminaten nur ein Bruchteil aller magischen Geheimnisse bekannt war.
Er schloß mit einer Frage.
»Als wir mit unserem kleinen Schiff den Hafen erreichten, sahen wir auf der linken Seite viele Masten und Rahen. Ein Hafenbecken voller Schiffe. Ihr seid große Seefahrer?«
»Wir rüsten unsere Schiffe. Unsere Krieger versuchen sich in Scheinkämpfen und Waffenübungen. Der Hexenmeister, der unendlich kluge Aiquos, ist bereits auf dem Weg hierher.«
»Ein Magier, der die Flotte befehligt?«
»So ist es. Er wird die Flotten gegen die fremden Eindringlinge selbst anführen. Wir wissen, daß er den Berg des Lichts schon verlassen hat. Wir werden den Ungläubigen eine Lehre erteilen!«
Ein Schatten fiel auf den steinernen Tisch zwischen ihnen. Varamis blickte auf und erkannte den Dunkeljäger.
Furcht schlich sich in sein Herz; er bemerkte in dem Gesicht unter dem grünen Aderngeflecht des Mannes Ablehnung und ein geheimes Wissen, das ihn erschreckte.
»Du berichtest von deiner schönen, wundersamen Heimat, wie?« fragte er lauernd und lächelte kurz.
»Ich habe ihm gesagt, was ich weiß«, antwortete Hesert und konnte seinen Blick nicht von dem wuchtigen Ring losreißen, den Kaizan am Mittelfinger trug. Es war ein Einhorn, dessen Körper, Schweif und Beine sich um den Finger klammerten. Der Kopf aber und das Horn trug Kaizan nach vorn gerichtet – der Ring war wie eine Waffe geformt, und vielleicht befand sich im Innern des stacheligen Dorns sogar ein tödliches Gift.
»Es wird mehr sein, als du zugibst«, murmelte Kaizan sarkastisch und deutete mit dem Ring auf den Luminaten. »Ich spüre, wenn ich dich und deine Seeleute anschaue, eine seltsame Ausstrahlung.«
Hesert zuckte die Schultern und erwiderte, scheinbar leichthin:
»Es wird der Staub sein, dessen magische Ausstrahlung dich verwirrt, Freund Kaizan. Ich bin ein harmloser alter Mann, der froh ist, wenn endlich die versprochenen Wunder geschehen.«
Kaizan lachte hart auf.
»Wenn ich alles glauben würde, was man mir erzählt, wäre ich längst ein toter Dunkeljäger. Nun, ich lebe noch! Deine Ausstrahlung, Hesert, paßt nicht zu einem Luminaten!«
Jetzt hatte Hesert den Beweis, daß die Dunkeljäger, zumindest aber Kaizan, in der Lage waren, magisch bedingte Schwingungen aufzunehmen. Er indessen war fremd, ein kleiner Magier aus Logghard. Kaizan hatte keinen endgültigen Beweis, und das rettete ihn und seine Freunde. Er sagte gleichmütig, obwohl sich in seinem Magen ein harter Klumpen bildete:
»Ihr Leute von Yucazan, ihr verdächtigt harmlose Besucher. Euer Geist ist angefressen von Mißtrauen. Du wirst jeden unserer Schritte bewachen, Kaizan, dessen bin ich sicher: Warum, wenn wir dich betrügen wollten, wären wir freiwillig hierher gekommen? Wir haben die Fährnisse der stürmischen Überfahrt auf uns genommen und die Bedrohung durch die Piraten des Archipels!«
Wieder traf ihn ein kalter Blick aus den dunkelbraunen Augen.
»Ich finde heraus, was an dir und deinen Begleitern falsch ist. Ich habe Zeit genug, und ich verfüge über viele Waffen. Treibt euch weiterhin herum in Yucazan – ich schlage zu, wenn ich euch bei einem entscheidenden Fehler ertappe.
Ich verspreche dir, daß es euer letzter sein wird!«
Kaizan wandte sich um und ging wortlos und mit entschlossenem Schritt davon. Beschwichtigend brummte Casay:
»Erschrick nicht über seine Worte. Es ist seine Aufgabe, unsere Stadt zu schützen. Überall wittert er Unheil. Wenn deine Absichten lauter sind, hast du nichts zu befürchten.«
Aus gutem Grund fürchtete sich
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