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Jäger des Einhorns

Jäger des Einhorns

Titel: Jäger des Einhorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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viereckige Halle erreichte. Sie war dunkel, und Licht von oben fiel nur auf einen Gegenstand am gegenüberliegenden Ende. Vorbei an schwarzen, poliert schimmernden Wänden und einigen Vertiefungen im Boden, rannte Casson auf den Block zu. Je näher er kam, desto deutlicher sah er, daß es sich um einen kantigen Felsblock handelte, um den herum aus den Wänden mächtige Steinplatten hervorragten. Sie trugen große Schalen, aus denen es nach kaltem Öl stank, das irgendwann stark erhitzt worden war. Schalen von Öllampen also.
    Das Sonnenlicht fiel in einer breiten Bahn auf den Block.
    Zuerst dachte Casson, daß die dicke Schicht des seltsamen Stoffes, der an den Seiten wie Wachs heruntergetropft war, tatsächlich gefärbtes Wachs oder eine andere weiche Substanz wäre. Dann aber begriff er, daß es sich um Blut handelte. Trockenes, verkrustetes Blut.
    »Ein Opferstein!« flüsterte Luxon entsetzt. Er sah sich um. An einigen Stellen der Wände befanden sich riesige, glatte Steintafeln. Sie wirkten auf ihn, als ob es sich hier um geheime Türen handelte, die nur durch das Wissen der kundigen Magier geöffnet werden konnten. Die flachen Vertiefungen im Boden waren wohl ebensolche verdeckte Öffnungen für Falltreppen oder Rampen.
    In der Nähe der Treppe, von der aus Casson hierher gerannt war, sah er zwei offene Durchgänge. An der anderen Wand entlang tastete er sich darauf zu. Eiseskälte kroch an seinem Rücken herauf. Unter seinen Fingerkuppen spürte er die Verzierungen des Steins.
    Er erreichte den Durchgang. Der Korridor dahinter bestand aus denselben Quadern wie alles hier in diesem Tempel. Gespenstische Lautlosigkeit herrschte; nur das Tappen der weichen Sandalen Cassons rief Echos hervor.
    Auch dieser schmale Gang war durch Tageslicht erhellt, das durch Schächte fiel. Casson konnte sich denken, daß es irgendwo auf der abgestuften Oberfläche aufgefangen und durch Flächen aus spiegelndem Metall heruntergeworfen wurde. In den Lichtbahnen tanzten flirrend einzelne Staub- und Rußteilchen. Überall wuchsen aus den Wänden eiserne, geschmiedete Fäuste hervor, in denen vereinzelte erloschene Fackeln steckten.
    Der Korridor verzweigte sich. Rechts und links ging es eine Bogenschußweite tiefer in den steinernen Berg hinein. Einige schmale Türen unterbrachen die glatten Flächen. Es waren Pforten aus wuchtigen Bohlen voller Risse und Sprünge, die mit Metall beschlagen waren.
    Casson rüttelte an den eisernen Ringen und Knäufen der Türen.
    Keine einzige ließ sich bewegen.
    Er lief weiter und fühlte in seiner Nase und im Rachen die muffig riechende Luft der unterirdischen Gänge. Er merkte sich den Weg, den er zurücklegte, sehr genau – die Korridore konnten sich für ihn in ein todbringendes Labyrinth verwandeln. Als er nach weiteren nutzlosen Versuchen, Türen aufzustemmen, das Ende dieses Korridors erreichte, sah er sich wieder einmal einer aufwärts führenden Treppe gegenüber. Er nahm sie, indem er drei Stufen auf einmal hinaufsprang.
    Auf dem Treppenabsatz machte er halt, holte tief Luft und sah sich um.
    Von rechts löste sich ein heller Schatten aus dem Dunkel zwischen zwei Säulen und glitt auf ihn zu.
    Cassons Hand fuhr zum Schwert. Er hatte es ganz herausgezogen, als die Gestalt heran war und sich im Licht zeigte.
    Cassons Schwertspitze deutete zu Boden.
    »Kaizan, der Jäger im Dunkel«, sagte er keuchend. »Du verfolgst mich. Warum?«
    Kaizan hob die Hand, ballte die Faust und zielte mit dem Stachel des Ringes auf Cassons Auge. Jetzt sah Casson, daß es ein Einhornring war mit einer nadelfeinen Spitze, dem Horn des Einhorns.
    »Du versuchst, in die heiligen Bezirke einzudringen!«
    Casson sprang einen Schritt zur Seite, aber Kaizan folgte ihm. Die Adern des Geflechts auf der Gesichtshaut schwollen an und pulsierten leicht. Der Lederhelm knarzte. Casson hob die linke Hand und beteuerte:
    »Ich habe mich verirrt!«
    »Willst du mich zum Lachen bringen?« fragte Kaizan lauernd. »Ich lache nur über die Verbrecher, die ich zur Strecke bringe.«
    Casson hob die Schultern und tauchte tief in seine Rolle ein, in seine Maske.
    »Wir aus Lyrland haben die Erlaubnis, uns umzusehen. Wir gingen in den Tempel. Die anderen sind auch dort. Niemand verbot uns das Hineingehen.«
    »Beim Dämon Argitroo, den ich unter meine Macht gezwungen habe – ich weiß, daß ihr aus Lyrland im Bann einer dunklen Macht steht. Ich finde den Beweis! Und dann werde ich euch beim geringsten Verdacht vergiften.«
    »Bei

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