Jäger des Einhorns
kleinem Gefolge. Wann? Wo?«
»Heute, nach Einbruch des Abends – dort unten! Bringe deine Freunde mit, Yzinda. Wir werden alles mit euch teilen, was wir haben.«
Zögernd standen die Flößer wieder auf. Sie betrachteten Yzinda mit unverhohlenem Staunen und Ehrerbietung. Sie bewegten sich linkisch, als sie sich mehrmals verbeugten und zwischen den Kriegern hindurchdrängten. Rauco sagte:
»Die Duine Yzinda, dieser Mann und ich, und ein paar unserer besten calcopischen Krieger werden euch heute nacht besuchen. Ich verspreche es!«
»Wir danken. Selten wird uns soviel Ehrung zuteil.«
Sie entfernten sich, weil sie die Eile der Fremden bemerkten. Immer wieder schauten sie sich um und winkten. Yzindas Verwirrung wich nur langsam. Immer wieder sprach sie davon, daß sie an ihre Kindheit so gut wie keine Erinnerung habe. Und stets befühlte sie mit ihrem Finger die Tätowierung, die Tätowierung der listigen Schlange um ihr linkes Auge.
*
Die Insel des Basars und der Händler ließ erkennen, daß es auf Yucazan auch ein ebenso normales und fröhliches Leben gab wie in jedem anderen großen Hafen.
Die Verkaufsstellen, die überdachten Läden, Teeküchen, Brotbäckereien und jene gemauerten Hütten, in denen Fleisch gesotten und gebraten wurde, die Händler der Tuche und der Gebrauchsgegenstände bildeten ein lautes, auffälliges Volk, das jeden, der sich in das Labyrinth der Basaranlagen wagte, wie in einem Mahlstrom mit sich riß.
Auf den schmalen Wegen zwischen den gestapelten Waren herrschte qualvolle Enge.
Es gab die schlanken, bronzefarbenen Krieger der Zaketer, die sich wie die Herren der Welt benahmen. Flößer, die schweigsam unter buschigen Brauen Blicke nach allen Seiten warfen und mit leisen Stimmen und knappen Worten schacherten. Magier der untersten Grade, die umherstolzierten wie langbeinige Wasservögel. Colteken standen hinter den Verkaufsstellen und überschütteten ihre Kunden mit Wortschwallen. Es roch nach Essen, verschüttetem Wein und anderen Dingen.
»Allein schon von den Gerüchen bekomme ich Hunger!« bekannte Casson, der sich von den überraschenden Eindrücken gefangennehmen ließ. Rauco packte ihn am Oberarm und steuerte auf die Stube eines Wechslers zu.
»Du wirst ihn noch einige Zeit vergessen können. Auch uns wird hier nichts geschenkt!« versicherte er, grimmig auflachend.
Sie handelten und feilschten lange, bis sie drei der glatten Scheiben in Metallplättehen umtauschten, auf denen die Symbole der magischen Zahlen standen, und die verschieden groß und unterschiedlichen Gewichts waren. Die Geldwechsler hielten die Scheiben vor das Licht ihrer Öllampen, in die letzten Sonnenstrahlen, wogen und maßen sie, hauchten sie an und bissen darauf und schlugen mit den Kanten ihrer Dolche dagegen, wobei die Plättchen einen hellen Klang von sich gaben.
Wieder kamen Calcoper in Waffen vorbei; breitschultrige, düstere Gestalten, die ihre Gesichter hinter der Maske kalter Gleichgültigkeit verbargen.
»Zuerst ein kaltes Bier vom Oberlauf des Ca’Tuhan!« rief einer aus der Gruppe.
»Nichts leichter als das!« rief Casson und lehnte sich am übernächsten Stand gegen eine Steinbank. Schäumendes Bier in Krügen erschien, aus einem Faß sprudelnd. Jeder von ihnen, außer Yzinda, leerte einen mächtigen Humpen. Die Duine wollte nur einen kleinen Becher, erhielt und leerte ihn genußvoll. Dann lächelte sie, zum erstenmal seit Tagen.
»Ich fühle mich, als sei ich heimgekehrt«, bekannte sie. »Aber ich finde nichts in meiner Erinnerung.«
»Quäle dich nicht«, meinte Casson und legte ihr den Arm um die Schultern. »Eines Tages werden alle Fragen beantwortet, alle Geheimnisse gelöst werden.«
»Nachdem der Lichtbote erschienen ist«, erwiderte sie zu seiner Überraschung.
Es herrschte eine Geräuschkulisse, die sie alle lange nicht mehr wahrgenommen hatten: das Knarzen von Leder, das Klirren von Metall, die Rufe der Händler und die Flüche betrogener Kunden. Fett zischte, wenn es in glühende Holzkohle tropfte. Aus unsichtbaren Winkeln kam eine krachende Musik aus Flötentönen, Trommeln und Messinggongs. Die Freunde bahnten sich weiter einen Weg, aßen hier fette Würste, deren Würzsoße auf ihre Finger tropfte, an einem anderen Stand heiße Brote, in die Schinkenstücke eingebacken und die mit geschmolzenem, goldbraunem Käse bestreut waren. Ein neuer Halt: ein destillierter Alkohol, der nach Kräutern roch und ihre Kehlen zu versengen schien. Früchte, in heißem Honig
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