Jäger des Einhorns
gekocht, Scheiben von gegrilltem Fleisch, über das eine rote, dicke Paste gestrichen wurde, die säuerlich schmeckte. Verglichen mit dem Essen an Bord war dies ein schimmernder Regenbogen der Köstlichkeiten. Die Männer aßen und tranken, bis sie nicht mehr konnten, und als sie nahe dem Ausgang der dritten, im Zickzack verlaufenden Basarstraße müde, glücklich und satt auf steinernen Hockern saßen und wieder volle Bierkrüge in den Händen hielten – ihr Vorrat an Scheidemünzen war inzwischen zusammengeschmolzen –, sprang Casson plötzlich auf, tauchte ins Gewühl und fischte mit einer blitzschnellen Armbewegung einen kleinen, schmutzig erscheinenden Mann hervor.
»Vara… Hesert!« rief Rauco aus. Seine Augen tränten im Rauch aus der benachbarten Bratstube, in der handgroße Fischhälften und dicke Käsescheiben, bestreut mit kostbarem Meeressalz und grünen Kräutern, auf zierlichen Rosten schmorten.
Auch Hesert war nicht mehr ganz nüchtern.
Auf den ersten Blick sah Casson, daß Varamis/Hesert seine unterdrückte Furcht mit Wein oder Bier zu betäuben versucht hatte. Dafür gab es einen triftigen Grund.
»Hierher! Allein trinken ist gefährlich. Trinke mit uns«, sagte er und drückte Hesert seinen Krug in die Finger. »Was ist los?«
»Ich weiß, wo Ergyse und seine Leute sind.«
Sofort wichen die Dämonen des Bieres aus Cassons Schädel. Nüchtern fragte er:
»Wo? Sprich!«
»In den Kerkern des Tempels des HÖCHSTEN!«
»Was weißt du mehr?«
»Sie sollen geopfert werden, als warnendes Beispiel für die Masse.«
»Ja? Weiter?«
»Croz und Casay helfen mir. Ich sagte, ich würde sie besuchen, um sie zu bekehren, zu läutern, zu überzeugen… jedenfalls werde ich morgen mit ihnen reden.«
Betroffen sahen sich die Freunde an. Die gute, gelöste Stimmung war jählings verflogen. Nur das Gefühl der Sattheit hatte Bestand. Casson nahm Hesert den Krug aus der Hand, trank ihn leer, stellte ihn zurück und entschied:
»Wir gehen aufs Floß. Ihr bringt Hesert zurück zu seinen Leuten. Wir haben eine neue Aufgabe!«
Sie tranken aus, verließen den Basar und benutzten die nächste Fähre. Hesert wurde von vier der Calcoper begleitet, und am Ufer beratschlagten sich die Zurückbleibenden.
Auf dem Floß brannten knisternd ein paar Fackeln. Die winzigen Öffnungen in den Wohnbauten ließen erkennen, daß dahinter Lichter angezündet waren und sich Personen bewegten. Aus den dünnen Kaminen stieg Rauch in die Nachtluft. Die Freunde nahmen die glitschigen Stufen hinunter zu den nassen Baumstämmen.
Giryan, der Floßvater, tauchte mit seinen Söhnen aus dem Eingang auf.
5.
Corsac und Paryan, zwei breitschultrige, verschlossene Männer, rangen sich ein knappes Lächeln ab, als sie Yzinda sahen. Dann führten sie die Besucher in die Innenräume hinein.
Giryan stand neben dem zur Seite gerafften Vorhang, verbeugte sich würdevoll und deutete nach links.
»Wir haben nicht viel, Duine Yzinda, aber dir zu Ehren freuen sich alle, weil es ein kleines Fest gibt.«
In den vielen kleinen Anbauten, die fast alle Türen und Öffnungen zum Mittelbau hatten, befanden sich etwa fünf Dutzend Flößer – Frauen, Kinder und Männer.
»Ich danke euch allen!« sagte Yzinda.
Vor ihnen erstreckte sich ein langer Tisch, an dem Bänke und Sitze standen. Eine aufgeregte Stille herrschte. Kinder klammerten sich an ihre Mütter und blickten mit großen Augen auf die Fremden.
»Zu wievielt lebt ihr auf dem Floß?« fragte Rauco und bückte sich unter einem verwitterten Tragebalken.
»Wir sind neunundsechzig«, sagte Giryan. »Ich allein habe sieben Söhne und drei Töchter.«
Die jungen Mädchen und die Frauen deckten den Tisch mit Tüchern, stellten Becher und Krüge und Näpfe darauf und zogen sich wieder an die Herde und Schränke zurück.
»Und was tut ihr in Yucazan?« wollte Casson wissen.
»Wir bleiben einige Tage. Von den Magiern haben wir gehört, daß die Dämonendiener geopfert werden«, antwortete Paryan nach einem abwartenden Blick auf den Ältesten.
»Dämonendiener?« fragte Casson leise.
»Die Fremden aus dem Land des Sonnenaufgangs«, belehrte ihn einer der Flößer. »Die Gefangenen unserer Magier.«
Auf dem Deck des Floßes waren eine kleine Trommel und mehrere flötenähnliche Instrumente zu hören. Der Abend würde wohl kaum ein ausgelassenes Fest werden; was auch nicht in der Natur der Flößer lag. Die Gäste und die Erwachsenen wurden mit Wein bewirtet. Giryan rückte für Yzinda einen
Weitere Kostenlose Bücher