Jäger des Einhorns
Magiern Yucazans dazu mißbraucht werden, einen Mann zu ermorden. Dieser Mann sitzt dort und hält sein gezogenes Schwert in der Hand. So wenig wie ich will er – und ich sage euch, daß er in seinem Land ein mächtiger Herrscher ist! – in diesem Raum, auf diesem Floß, daß auch nur ein Tropfen Blut fließt.«
Casson lächelte nicht, als er aufstand und sagte:
»So ist es. Er spricht die Wahrheit.«
Noch immer hatte keiner der Flößer etwas gesagt. Sie starrten, nachdem sie bei Raucos letzten Worten Casson angeblickt hatten, auf Yzinda und Rauco. Yzinda, die ebensogut wie jeder andere Fremde wußte, daß sie nur dann lebend das Floß verlassen würden, wenn sie die Wahrheit sprachen, flüsterte totenbleich:
»Und weil ich mich weigerte, zu morden, hat mich das HÖCHSTE verlassen! Denke darüber nach, Giryan, was das bedeutet.«
Wieder herrschte ein Dutzend Atemzüge lang ein Schweigen, das jeden in diesem Raum erfaßt hatte. Die Musik geriet aus dem Takt, und schließlich hörten zunächst die Trommeln auf und dann die Flöten und die tönenden Instrumente der gezupften Saiten.
Dann sagte Rauco, auch für Casson überraschend:
»Sie ist nicht die einzige, die vom HÖCHSTEN verlassen wurde. Auch ein Mann, einstens berühmt und geachtet, weigerte sich, Böses zu tun. Er verlor das dritte Auge.«
»Ich bin dieser Mann.«
Er griff an die Stirn und löste den roten Fleck von seiner Stirn. Ein entsetztes Atemholen ging durch die Halbkreise der Flößer.
»Ich bin Kukuar, der Hexer von Quin, der in der verborgenen Urwaldstadt Loo-Quin herrscht. Die Dämonendiener, die getötet werden sollen, glauben wie wir alle an den Lichtboten. Wie ich, wie du, Giryan, wie Casson und die coltekischen Krieger, die sich nur freiwillig angeschlossen haben.«
Casson, der noch immer bereit war, sich gegen jeden Angriff zu wehren und sich einen Weg vom Floß herunter zu bahnen, blieb scheinbar ruhig sitzen. Er versuchte, zu erkennen, wie sich die Flößer verhalten würden. Keiner von ihnen sprach, aber man sah, wie sich ihre Gedanken förmlich überschlugen. Die Gesichter des Floßmeisters und seiner ältesten Söhne ließen erkennen, daß sie Kukuar – vermutlich – glaubten.
Jedenfalls ließen sie die Hände sinken und lockerten die Finger um die Dolchgriffe.
Kukuar holte tief Atem, nahm einen langen Schluck und registrierte zufrieden, daß eine ältere Frau seinen Becher wieder füllte. Dann setzte er sich neben Yzinda, faßte sie behutsam am Oberarm und sprach weiter.
»Die Fremden, die hingerichtet werden sollen, mein Freund Casson dort drüben, meine Colteken und ich, und viele Männer auf vielen Schiffen, die aus dem Osten kamen, sind alle Opfer der zaketischen Magier. Es sind aber Männer, deren Glauben ebenso tief ist wie eurer und meiner. Wir sind alle Wartende auf die Ankunft des Lichtboten.
Aber ich war einer der ersten, der sich gegen die Macht und Willkür der Hexer auflehnte. Dafür wurde ich gestraft. Deswegen verlor ich das dritte Auge, nicht aber meine magischen Fähigkeiten.«
Er befestigte, nachdem er die Stirn mit einem Fetzen Gewandes gereinigt hatte, das falsche dritte Auge wieder. Yzinda tat es ihm nach.
»So wie ich gegen die Herrschsucht und die Sklavenfänger-Willkür rebellierte, sind auch die Fremden aus dem Osten die Opfer der verbrecherischen Magie. Die Neue Flamme von Logghard wurde von Quaron gestohlen und hierher gebracht. Die Calcoper, und das wißt ihr besser als ich, spielen sich als Herren überall auf.«
Endlich sprach Corsac:
»Das ist richtig. Wir wissen dies und leiden darunter.«
»Nicht nur ihr«, schlug Kukuar in die Kerbe. »Die Dunkeljäger töten Menschen, die Fragen stellen und nicht alles als gegeben hinnehmen. Die Magier gehorchen blind allen Befehlen, selbst wenn sie Unrecht tun. Sie sind umgeben von einer Aura der Furcht. Wie kann Furcht das sein, was unser Lichtbote will? Habt ihr auch darüber nachgedacht?«
Casson wagte es, aufzustehen und an den Floßvater das Wort zu richten.
»Helft uns, Giryan! Rebelliert ebenso wie Kukuar gegen die Herrscher. Es sind die falschen Könige! Sie haben die Gesetze des Lichtboten zu hohlen Hülsen gemacht. Sie scheffeln die Macht in ihre eigenen Hände!«
Zwischen Giryan und seinen Söhnen schien eine wortlose Übereinstimmung zu herrschen.
»Ich sage«, sprach schließlich, nach schweren inneren Kämpfen, der weißhaarige Alte, »nicht nein und nicht ja. Ich fordere, daß die Duine bei uns bleibt. Sie ist die Tochter
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