Jäger des Einhorns
unseres Stammes. Vor uns muß sie sich rechtfertigen.«
Während Casson die Hand hob, nickte Kukuar und rief beschwörend:
»Ein kluges Wort! Ich nehme die Bedingung an, denn ich fürchte nicht um ihr Leben!
Ich bin so kühn, jetzt und hier meine Gedanken laut auszusprechen! Ich hoffe, daß uns die Flößer helfen werden, die Fremden zu befreien! Schon allein im Namen aller meeresbefahrenen Männer hoffe und glaube ich es. Aber ihr werdet entscheiden, Floßvater Giryan, denn ich weiß, daß ihr richtig entscheiden werdet.«
Casson sah, daß Kukuar tatsächlich nicht um Yzindas Leben fürchtete.
»So sei es!« murmelte er überrascht und verwirrt.
Paryan winkte und sämtliche Becher wurden wieder gefüllt. Einige Zeit lang herrschten Unruhe und Verwirrung. Die männlichen Flößer standen da wie Statuen, sagten wenig und dachten nach, und die Anspannung strebte einem neuen Höhepunkt zu.
Giryan ließ sich schwer in einen Sessel fallen und sagte, als ob er befürchtete, daß draußen jemand zuhörte:
»Yzinda bleibt hier. Wir denken und stimmen ab. Ihr werdet unseren Entschluß hören.« .
»Sie bleibt auf dem Floß?« fragte ein Colteke.
»Ja. Hier. Das Floß wird noch nicht losgemacht. Hier könnt ihr sie finden.«
Tapfer erklärte die Duine:
»Ich fühle mich hier sicher, denn ich weiß, daß ich gerechte Freunde auf diesen Baumstämmen habe.«
Kukuar beugte den Kopf, hob den Becher und bohrte seinen Blick in die Augen des Floßvaters.
»So sei es! Wir können gehen?«
Während er trank, nickte Giryan. Die fremden Gäste standen auf. Die Flößer gaben den Eingang frei und wirkten nicht mehr feindselig, eher sehr verwirrt. Sie verabschiedeten sich von der Duine und tappten, halb geblendet, hinauf an die Oberfläche der Insel. Langsam, entlang der schwach beleuchteten Wege, gingen sie in die Richtung ihrer Quartiere.
Der Dunkeljäger Kaizan, der bisher mit unendlicher Ruhe und Ausdauer gewartet hatte, war nur einer der Schatten, von denen sie sich verfolgt glaubten.
Aber auch er sah nicht, daß Yzinda fehlte.
*
Die einzelnen Farbschleier zeigten genau die Strömungen an, die sich in die Richtung aufs Meer hinaus ringelten und verzweigten. Einige Farbbottiche der Färber wurden geleert. Zwischen dem Wasser des Kriegsschiffshafens und den riesigen Wohngebäuden, Stallungen und Waffenlagern der Calcoper sah man gelbe und rote Linien im Wasser des Flusses Ca’Tuhan. Immer wieder bildeten sich einzelne Wirbel, in denen sich die Farben verdünnten und vermischten, und der auflandige Wind brachte den Gestank bis weit ins Delta hinauf.
Casay klopfte mit dem Knauf seines Dolches an die Tür, und sofort schwang sie auf, und Hesert stand vor ihm.
Er wirkte ausgeschlafen und entschlossen. Als er sah, daß der Magier nickte, fragte er:
»Es ist erlaubt worden?«
»Lange wurde beraten. Dann aber wählte man mich aus. Folge mir, und ich bringe dich zu den Dienern der Dämonen.«
Hesert nickte, winkte in den Raum zurück und folgte dem Magier. Er war vorbereitet – es mußte ihm glücken, den Weg in den Kerker und wieder zurück aufzuzeichnen und jede Falle oder Sperre zu sehen. Schweigend legten sie einen Teil des Weges zwischen den Quartieren und dem eckigen Eiland der Hauptinsel zurück. Schließlich fragte Casay besorgt:
»Du glaubst tatsächlich, Luminat, daß deine Worte bei den Starrsinnigen etwas bewirken?«
Heserts Weg führte nicht zum Haupteingang, sondern über eine Rampe zwischen dem Haupttempel und den vorgelagerten kleinen Gebäuden in die Tiefe. Hesert zählte Schritte und stellte Richtungen fest, sah nach der Sonne und antwortete zögernd:
»Ich hoffe es. Vielleicht kann ich sie bekehren… wir werden es sehen, wenn ich wieder zurück bin.«
Die Rampe bestand aus glatten Steinen, führte schräg abwärts und mündete in einen breiten Korridor. Zwei Wachen öffneten ein schweres, eisernes Gitter.
»Gibt es viele Gelasse oder Kerker?« fragte der Luminat.
Obwohl der Korridor schräger wurde und schon unter der Außenmauer der Stufenpyramide verschwand, kam durch gemauerte Schächte Tageslicht herein. Der Korridor winkelte ab, und Hesert erkundete weiter die Richtungswechsel und alle die wuchtigen Steinplatten, Ecken, Mauern und Gitter. Er sah, daß in vielen Mauerteilen dünne Linien von oben nach unten verliefen, und daß sich quer über den Boden dunkle Bahnen spannten, in denen es wie nach Fett oder Schlamm aussah.
»Ich kenne nicht alles. Nur Kaizan und seinesgleichen kennen die
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