Jäger und Gejagte
Schamanenart. Du hast mich vor meinen Eltern und Freunden beschämt. Du hast in mir den Wunsch geweckt, mich einfach hinzulegen und zu sterben. Manchmal habe ich die ganze Nacht wach gelegen und geweint.«
»Es tut mir leid.«
»Die Wahrheit hast du nie erfahren. Sie war dir egal.«
»Jetzt kenne ich sie.«
»Tatsächlich? Kennst du sie wirklich? Kannst du sie aussprechen?«
Es ist wie die erste Prüfung einer astralen Suche. Er tritt vor den Bewohner der Schwelle, nur um mit irgendeinem Geheimnis aus seiner Vergangenheit konfrontiert zu werden. Nichts bleibt dem Bewohner verborgen. Nicht einmal die persönlichsten, am besten gehüteten Geheimnisse.
Wovon der Bewohner spricht, ist völlig klar. Bandit weiß, worauf er sich bezieht. Er weiß, welche Antwort er geben muß. Er müht sich, die Worte herauszubringen. »Meine Schwester... Amy... Sie liebt mich. Sie hat mich immer geliebt. Sie will nur, daß ich diese Liebe erwidere.«
»Und wirst du das tun?«
»Ich werde es versuchen.«
Der Bewohner verschwindet.
Plötzlich spürt Bandit, daß er sich bewegt, daß er durch ungezählte, unbekannte Orte rast. Schließlich erreicht er einen Ort, wo die Dunkelheit regiert und Schatten lauern, wo böswillige Gestalten am Rande seines Blickfelds flackern und sich überall Gefahren auftürmen.
»Wo bist du?« sagt Alter Mann.
»Ich weiß nicht«, erwidert Bandit.
»Was siehst du?«
Bandit schildert es ihm.
»Sieh in die Schatten.«
Als Bandit hinschaut, sieht er, daß sich ihm eine dü- stere menschliche Gestalt nähert. Zuerst scheint alles nur dunkler Schatten zu sein, doch dann schaut Bandit tiefer. Er sieht die Macht darin, die blendende Macht von tausend Seelen, die alle im Widerschein der strahlenden Reinheit ihrer Lebensenergie leuchten. Und dann schaut er noch tiefer. Innerhalb dieser blendenden Aura des Lebens lauert eine Dunkelheit, die schwärzer als schwarz ist, ein bösartiger Kern, der sich vom Leben selbst nährt.
Das Grauen kommt näher. Bandit spürt, wie er vor Angst zittert. Plötzlich wird er mit einer Geschwindigkeit von dem Kern der Finsternis weggerissen, die jegliches Begreifen übersteigt, und dennoch kommt das Grauen und verfolgt ihn bis zur Schwelle dieser Metaebene und darüber hinaus. Krallen greifen nach ihm, um ihn zu packen, um ihn zu zerkratzen, um in ihn zu greifen...
Bandit schwinden die Sinne. Er spürt, wie er schwankt. Er stellt plötzlich fest, daß er vor Alter Manns kleinem Feuer sitzt, ihm der Kopf schmerzt und das Herz in der Brust hämmert. Er spürt die Gefahr jenseits der Grenzen des Medizinzelts lauern und erbebt.
»Was weißt du von dem Übel?« sagt Alter Mann.
Bandit denkt lange nach, dann sagt er: »Ich weiß seinen Namen. Ich weiß, daß es von jenseits der Schwelle stammt. Daß es das Leben jagt. Sich vom Leben nährt. Seelen stiehlt.«
Alter Mann schließt die Augen. »Was wirst du tun?«
»Ich weiß nicht.«
Alter Mann nickt. »Der Weg des Schamanen ist schwer zu finden. Ich erinnere mich, daß ich vor langer Zeit zwei Männer reden hörte. Der eine behauptete, daß Waschbär auch etwas vom Geist Adlers besitze, wie dies auch bei allen Menschen der Fall sei. Der andere Mann sagte, Waschbär sei nur ein Dieb, so wie alle Menschen Diebe seien. Ich weiß noch, daß mein Vater mir einmal gesagt hat, die Natur sei sehr mächtig, aber manchmal brauche sogar die Natur Hilfe. Du entscheidest, wer recht hat. Ich bin nur ein alter Mann. Ich habe keine Antworten.«
Bandit denkt nach und sagt: »Gut und Böse sind beide Teil der Natur.«
»Vielleicht ist das deine Antwort.«
Bandit grübelt weiter und sagt: »Es liegt in der Natur des Guten, sich dem Bösen entgegenzustellen. Es zu bekämpfen. Es sogar zu vernichten.«
»Wenn du das denkst«, sagt Alter Mann, »hast du vielleicht sogar recht.«
Bandit grübelt weiter. Vielleicht muß Waschbär diesmal die Zähne blecken und Blut vergießen.
58
Hey. Ihr Schlafmützen.«
Monk öffnet die Augen. Zwei Orkfrauen haben sich zu ihm heruntergebeugt und grinsen ihm ins Gesicht. Sie haben rote funkelnde Augen und echt große Eckzähne und wirken irgendwie belustigt. Sie heißen Erin und Paige und sind zwei von Minx' Freundinnen. Monk drückt ihre Schulter. Sie hebt den Kopf aus seinem Schoß, sieht auf und sagt: »Hey! Sahne! Wie habt ihr uns gefunden?«
Erin sagt: »Poochie hat euch gefunden.«
Das ist der andere Name für den Fürst der Dunkelheit, dem großen rötlich-schwarzen Dobermann mit den roten
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