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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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der Wind ins Gesicht bläst.
    »Schluß mit der Unentschlossenheit«, sagt sie sich.
    Amy strafft sich auf ihrem Stuhl, doch bevor sie sich wieder zu ihrem Schreibtisch umdrehen kann, fällt ihr etwas ins Auge.
    Einen Moment lang weiß sie nicht genau, was sie eigentlich gesehen hat - einen Vogel, eine Rakete, einen Meteoriten -, als ein dunkler Fleck durch ihre Fenster schießt, direkt auf ihre Nase zu. Sie zuckt unwillkürlich zurück, stößt sich mit den Füßen vom Boden ab. Die Rückenlehne ihres Stuhls knallt gegen den Schreibtisch.
     
    Sie versteift sich, schnappt nach Luft, und gafft dann offenen Mundes.
    Der dunkle Fleck wird zu einem Loch, wie ein Loch im Boden, in der nackten Erde, aber es hängt in der Luft vielleicht einen Meter vor ihrem Gesicht.
    Wahrscheinlich zum erstenmal in ihrer gesamten Karriere fällt Amy der Alarmknopf unter ihrem Schreibtisch ein. Sie hat ihn ein halbes Dutzend Mal mit dem Knie gedrückt, völlig unabsichtlich, nur um überrascht aufzuschauen, als jedesmal ein Trupp bewaffneter Wachen in ihr Büro stürmte. Jetzt wünscht sie sich, sie könnte ihn erreichen, ihn erreichen, ohne daß es offensichtlich ist. Sie hat keinerlei Zweifel, daß sie Zeuge eines arkanen Phänomens ist.
    Ihr Herz pocht.
    Eine Gestalt taucht auf, ein Kopf, der sich aus dem Loch erhebt. Die Gestalt sieht wie ein Tier aus, dunkel und pelzig, ein wenig wie ein Waschbär. Sie verschränkt die Vorderbeine über dem Lochrand und sagt mit merkwürdig schriller Stimme: »Halt dich von Phalen fern. Er ist gefährlich.«
    Amy staunt. »W-was?« stammelt sie.
    Ihre Stimme kippt ungefähr tausend Oktaven nach oben. Die Gestalt starrt sie an, kratzt sich am Kopf und sagt dann: »Halt dich von Phalen fern...«
    »Wer bist du?« platzt es aus Amy heraus.
    »Ich?« Die Gestalt legt den Kopf auf die Seite und kratzt sich anscheinend verwirrt am Kopf. »Ich bin nur ein Wesen aus Quecksilber und Schatten.«
    Und dann ist es weg, verschwunden.
    Quecksilber? Amy starrt Löcher in die Luft.
    Die nächsten fünf Minuten ist sie damit beschäftigt, wieder zu Atem zu kommen und sich zu fassen. Ihr fällt Scotties lebenslange Besessenheit hinsichtlich Waschbären ein und fragt sich, ob das alles nur ein Zufall ist. Hat diese Erscheinung, die sie vor Dr. Phalen gewarnt hat, irgend etwas mit Scottie zu tun?
     
    Sie erinnert sich an eine Trideoshow namens Die Shattergraves, die vor einigen Jahren gesendet wurde. Sie genoß eine kurze, doch heftige Popularität, und zwar in erster Linie wegen ihres Magier-Helden, der direkt einem Katalog von Vashon Island hätte entsprungen sein können. Sogar ihre Assistentin Laurena redete über ihn. Er wurde Aragon genannt. In der Show hatte er einen Helfer, eine Art Geist. Der Geist hieß Quecksilber. Er war nicht besonders gescheit. Aragon beauftragte Quecksilber manchmal damit, Nachrichten zu überbringen. Der Geist schien praktisch jeden in Windeseile finden zu können, egal wo der Betreffende sich gerade befand.
    Wenn in dieser Show die Funktionsweise von Magie und die Fähigkeiten von Geistern einigermaßen korrekt dargestellt waren, dann könnte Scottie ihr dieses Wesen geschickt haben, das einem Waschbär ähnelte, um sie vor Dr. Phalen zu warnen.
    Aber warum?
    Es ergibt keinen Sinn. Gefährlich? Dr. Phalen? Selbst wenn er persönlich verantwortlich für den Betrug an Hurley-Cooper wäre, kann Amy nicht glauben, daß der Mann versuchen würde, ihr persönlich ein Leid zuzufügen. Schließlich ist Dr. Phalen kein zur Gewalt neigender Straßenpunk mit einer ellenlangen kriminellen Vergangenheit. Er ist ein Mann, der sein Leben der Wissenschaft gewidmet hat. Ein Mann, der ihrer Erfahrung nach mit ihr und überhaupt mit jedem wie ein Gentleman aus der Alten Welt geredet hat: höflich, vielleicht sogar zu höflich, freundlich, zuvorkommend und ziemlich charmant. Gefährlich? Das ist einfach nicht möglich.
    Amy kann sich erinnern, daß es mehrere Shatter- graves -Episoden gab, in denen Quecksilber Aragons Botschaften durcheinandergebracht hat. Vielleicht ist das in diesem Fall auch geschehen. Scottie kann nicht gemeint haben, daß Dr. Phalen eine echte Gefahr für sie darstellt. Er muß etwas anderes gemeint haben.
    Aber was?
    Phalen ist in Gefahr, also halt dich von ihm fern? Sie versucht es sich mehrere Minuten lang zusammenzureimen. Das einzige, was ihr einfällt, ist die Möglichkeit, daß sie überwacht wird. Scottie scheint das zu denken. Doch wenn sie von KFK-Leuten beobachtet wird,

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