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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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Widerspruch. »Du schon wieder«, sagt Alter Mann mit einer Stimme, die so trocken wie Sand und so knorrig wie ein altes Holzbrett ist und dennoch vor Kraft vibriert. »Gönne einem alten Mann etwas Ruhe«, sagt er. »Geh weg.«
    Bandit bleibt vor dem regennassen, sandigen Läufer stehen, der die Grenze des Medizinzelts des Alten markiert. Ruhig sagt er: »Ich muß mit dir reden.«
    »Ich bin nur ein alter Mann. Komm nicht zu mir, wenn du Antworten suchst. Wenn ich je welche wußte, habe ich sie wahrscheinlich vergessen, lange bevor du geboren wurdest.«
    Alter Mann ist manchmal etwas wunderlich, besonders wenn er schlafen will. Wie Rabe kann er auch gierig und egoistisch sein. Bandit versteht das. Der Schamane muß seinen eigenen Weg suchen. Es ist nicht Alter Manns Weg zu tun, was ein anderer tun muß. Er bietet Hilfe an, wenn Hilfe gebraucht wird, aber nur, wenn sie sehr dringend gebraucht wird, und nur, wenn er Hilfe anzubieten wünscht. Wenn er es richtig findet zu helfen. Bandit setzt sich mit gekreuzten Beinen vor den Läufer und wartet. Er wird so lange warten, wie er muß.
     
    »Komm ins Zelt«, sagt die trockene, knorrige Stimme.
    Mittlerweile hat er den Eindruck, daß es Nacht ist. Der Himmel ist fast schwarz, und die schmutzigen Lichter Brooklyns leuchten in der sich abzeichnenden Dunkelheit. Das Feuer im Medizinzelt leuchtet in einem brütenden Rot. Bandit betritt den Läufer und setzt sich Alter Mann gegenüber, so daß sich das Feuer zwischen ihnen befindet.
    »Du bist gekommen, um mir etwas mitzuteilen«, sagt Alter Mann. »Was glaubst du, was du mir mitteilen willst?«
    »Ich habe etwas entdeckt.«
    »Was für ein ›etwas‹?«
    Bandit zögert, dann sagt er: »Ungeheures Übel.«
    Seine Worte scheinen die Gefahr real zu machen, realer als zuvor. Bandit weiß nicht genau, welche Gefahr das Übel darstellt, aber er weiß, daß die Gefahr droht. Er kann sie spüren. Irgendwo in der Finsternis. Eine mächtige Präsenz, die ihn vielleicht sogar in diesem Augenblick von jenseits der Grenzen von Alter Manns Medizinzelt beobachtet. »Was für ein Übel?« sagt Alter Mann. »Was glaubst du, was du entdeckt hast?«
    »Es ist ein Buch.«
    »Was für ein Buch?«
    »Das Roggoth'shoth.«
    Eine lange Zeit verstreicht. Das Rot der Flammen wird intensiver. Die Rauchsäule, die sich aufwärts kräuselt, schwillt an und füllt das Medizinzelt aus. Alter Mann stimmt einen leisen Singsang an und schlägt dabei rhythmisch eine kleine Trommel, die er auf dem Schoß hat. Bandit spürt, wie sich die Magie entfaltet, lange bevor er auch nur die geringste Ahnung hat, wohin sie führt. Er spürt, wie sich die Welt des Medizinzelts verändert. Er spürt die Macht der Magie wie eine Flut ansteigen.
     
    »Was weißt du über das Roggoth'shoth?« sagt Alter Mann.
    »Ich weiß, daß das Buch großes Übel enthält«, sagt Bandit.
    »Du weißt gar nichts.«
    Der Rauch wird dicker und verhüllt alles.
    »Öffne deine Sinne.«
    Als Bandit die Augen öffnet, befindet er sich an einem anderen Ort und sieht auf einen großen Raum herab, der voller alter Bücher und gewaltiger Macht ist. In der Mitte des Raumes steht ein alter Mann mit einem langen grauen Bart. Er trägt einen Hut, der wie ein Kegel geformt ist, und ein langes dunkles Gewand, auf das mystische Symbole gestickt sind. Mit der glühenden Spitze eines leuchtenden Zauberstabs schreibt er Symbole in die Luft. Die Symbole sprechen. »Ich bin der Magier Penticlese... Die in diesem Text beschriebenen Phänomene, das Wissen, das ich nun weitergebe, stammen von den Alten... Aus den dunklen Zeitaltern unserer Vorfahren...
    Wisset, daß wir verloren sind... Daß Welten über Welten existieren, wie sie sich der sterbliche Mensch nicht vorstellen kann... Daß jenseits der Schwelle der Dunkelheit der größte Schrecken liegt... Die Gruft des Roggoth'shoth.«
    »Kennst du diesen Ort?« sagt Alter Mann.
    »Hier bin ich noch nie gewesen«, sagt Bandit.
    »Was siehst du?«
    Bandit beschreibt, was er sieht.
    »Was erkennst du in den Symbolen?«
    Die Symbole flimmern und verschwimmen, wachsen und erfüllen sein Blickfeld, um dann Bilder zu formen. Ein Gang in die Dunkelheit, in eine tiefe und immer tiefere Dunkelheit, bis schließlich alles schwarz ist und irgendwo weit voraus ein Lichtpunkt auftaucht. Während das Licht näher kommt, wächst es. Es wird zu einer strahlend weißen Gestalt, dem Abbild seiner Schwester Amy. »Du hast mich beschämt«, sagt sie.
     
    »Du und deine

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