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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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sehr daran gewöhnt, daß Sie hier alle Knöpfe drücken.«
    »Wer, ich?« Germaine lächelt zögernd. »Ich bin nur eine Computerassistentin und eine Bürokraft.«
    »Dr. Phalen hält Sie für unersetzlich.«
    »Tja, er ist der Boß.«
    »Ja.«
    Ben betätigt die Tasten, die den Innenraum mit Gas überfluten. Als er wieder auf den Schirm sieht, starrt die finstere Königin direkt an die Decke, als wisse sie, daß das Gas kommt. Sie muß es riechen. Der Geruchssinn des Tigers ist um ein Vielfaches stärker als der eines Metamenschen, stärker, als es sich ein Metamensch überhaupt vorstellen kann. Ben fragt sich, wie es wohl ist, allein mit Hilfe des Geruchssinns Beute durch eine halbe Million Hektar Wald zu verfolgen. Er fragt sich, wie die Welt der Metamenschen für jemanden mit so scharfen Sinnen aussehen muß. Könnte man ein Wesen mit solch tiefem Verständnis überhaupt belügen?
     
    Striper fällt zu Boden.
    »Soll ich Dr. Phalen rufen?« fragt Germaine.
    »Nein«, erwidert Ben. »Liron widmet sich anderen Dingen.«
    »Ach ja, richtig«, sagt Germaine. »Er ist nach Hause gegangen.«
    Ben nickt. »Genau.«
    Er geht wieder in den Vorbereitungsraum, um sich anzukleiden.

62
     
    Die in den Keller führende Treppe ist dunkel und staubig, aber Liron Phalen macht sich nicht die Mühe, das Licht einzuschalten. Seine Augen haben sich längst an schlechte Lichtverhältnisse gewöhnt. Ein Vor- teil seines Zustands.
    Der Keller ist mit Kisten und Kästen gefüllt, Artefakten von Expeditionen, die er in jüngeren Jahren unternommen hat, als er auf der Suche nach universellen Wahrheiten durch die Weltgeschichte gereist ist. Welch eine Ironie, daß ihn seine Suche nach der Wahrheit nicht zum Wesen der Natur des Lebens oder der Existenz geführt hat, sondern in eine lebenslange Schlacht mit den degenerativen Auswirkungen von Metamycobacterium Leprosis, einer neuen und virulenteren Sechste-Welt-Form der Lepra. Wie traurig, daß er so viel von seiner Zeit nicht mit der Suche nach den bedeutenderen Wahrheiten des Arkanen, sondern mit dem Versuch verbracht hat, die kleine, düstere Wahrheit zu heilen, die ihn bei lebendigem Leib auffrißt.
    Er bleibt an einem Ende des Kellers stehen. Aus einigen der Kisten und Kästen in seiner Umgebung dringen zischelnde Flüsterlaute und Kratzgeräusche. Sie sind wie die Worte der Alten, oft so vage und schwach, daß sie sich jedem Begreifen entziehen, und doch mit der Verheißung geheimen Wissens neckend. In diesem Fall erinnert ihn das Flüstern natürlich nur an seine frühen Fehlschläge. Er unterdrückt einen Seufzer des Kummers und des Bedauerns.
    Doch jetzt steigt Vorteria durch den Kellerboden, und das schwache Schimmern ihrer Präsenz wird zur strahlenden Pracht ihrer vollen physikalischen Manifestation. »Zwei der Jäger nähern sich, Meister«, sagt sie. »Es sind die beiden, die Erin und Paige genannt werden.«
     
    Geheiligte Gefäße, die die Essenz des Lebens transportieren.
    Liron bückt sich und öffnet den Riegel, mit dem die Falltür im Betonboden versperrt ist. Die Tür schwingt sofort zurück. Einer nach dem anderen klettern seine Jäger durch die quadratische Öffnung, richten sich auf und drehen sich zu ihm um. Sie sind nicht sonderlich attraktiv, diese stämmigen Orkfrauen, mit ihren viehischen Fängen und ihrer schwarzen Kunstlederkleidung, aber sie sind stark und ausdauernd und gehören zu den gewissenhaftesten seiner Lakaien.
    Liron öffnet seinen Umhang und verstärkt mit einer raschen Bewegung seiner Finger den Zauber, unter dem beide stehen.
    »Komm, meine Liebe.«
    Erin tritt mit einem fast mädchenhaften, koketten Lächeln vor. Liron hüllt sie in die Verzauberung des Umhangs ein, eine Verzauberung, die Abgeschiedenheit gewährleistet, und preßt seinen Mund auf ihren. Der Atem strömt rasch und üppig aus ihren Lungen. Er atmet ein, tief und begierig. Im Astralraum ist sie ein strahlendes Leuchtfeuer vor dem dunklen Hintergrund des Kellers. In ihren Augen brennt das Licht unzähliger Seelen. Jetzt fließt ihm der Überfluß an Lebensenergie zu, den sie gesammelt hat. Mit der Lebensenergie kommt die essentielle Kraft, die er braucht, um sich am Leben zu erhalten, und die Macht, der Lepra zu widerstehen und den weiteren Verfall aufzuhalten.
    Während sein Energiereservoir steigt, steigert sich das Flüstern und Rascheln in den Kisten und Kästen zu einem subtilen Crescendo. Seine Fehlschläge spüren das Leben, das er absorbiert. Sie neiden ihm seine Macht. Das

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