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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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daß sie die Verzögerung rechtfertigen kann, wenngleich fraglich bleibt, ob ihr das noch etwas nützen wird.
    »Das wäre nett«, sagt sie, wobei sie sich Mühe gibt, zufrieden zu klingen. »Und wenn ich in bezug auf Ihre Frau irgend etwas tim kann, zögern Sie nicht, es zu sagen. Ich weiß, daß sie sehr krank ist. Ich hoffe, daß sich alles zum Besten entwickelt.«
    »Sie sind sehr freundlich, meine Liebe«, erwidert Phalen. »Vielen Dank.«
    Sie beenden das Gespräch. Amy lehnt sich zurück und seufzt.
    Immer noch mehr Sorgen.

60
     
    Tikki kratzt sich im Nacken, zuckt gereizt mit den Ohren und springt abrupt auf. Sie ist ruhelos, sie kann nicht schlafen. Sie kann es einfach nicht mehr ertragen, in diesem öden grauen Raum eingesperrt zu sein! Stunde um Stunde ist vergangen - mindestens ein Tag. Immer wieder muß sie an ihr Junges denken, und die Stimme an der Decke ist eine Plage. Ständig kommt sie wieder, ständig leiert sie ihr die Ohren voll. Sie spricht von Töten und vom Tod und davon, was für ein Ungeheuer sie ist und was sie verdient und wie sie für ihre Verbrechen büßen wird. Die Botschaft ist ziemlich eindeutig. Sie wird hier festgehalten und mit diesem Lärm gefoltert, mit ihren unbeantworteten Fragen, ihren Zweifeln und Unsicherheiten, bis sie wahnsinnig wird.
    Sie beschnüffelt den Boden. Nichts. Nichts, was sie nicht schon zuvor gerochen hat.
    In ihrer Jugend waren die Dinge einfacher. Sie war stark, mit den Waffen der Natur beschenkt, und alles, was nicht Tiger oder Wertiger war, war Beute. Manche Beute war gefährlich, manche nicht, aber sie kannte ihren Platz in der Welt, sowohl in der Wildnis als auch im Reich der Zweibeiner. Wer hätte auch daran zweifeln können? Ist sie nicht ganz offensichtlich ein Raubtier? Zur Jagd geboren? Zum Töten? Was konnte es schon für einen Unterschied machen, ob die Beute zwei oder vier Beine hat? Ihre Mutter hat ihr sowohl die Jagd auf zwei Beinen als auch auf vier Beinen beigebracht, wie man Schußwaffen benutzt, wie man Schlösser und Alarmanlagen überwindet und andere Dinge - Fähigkeiten, die sie zum Überleben benötigen würde.
    Es war wie ein Schock, als sie erkannte, daß Zweibeiner sie dafür bezahlen würden, andere Zweibeiner zu jagen, und das bewies nur, was ihre Mutter ihr immer wieder gesagt hatte. Zweibeiner jagen einander. Sie sind Betrüger, hinterlistig und falsch, Verräter an ihrer eigenen Rasse. Sie tun alles, um sich selbst zu retten, um voranzukommen oder um Profit zu machen. Sie schätzen nur das eigene Leben, Macht, Sex und Nuyen.
    Tikki fragte sich schließlich, warum sie die Unbilden des Lebens in der Wildnis ertragen sollte, wenn sie doch Zweibeiner in der Stadt jagen und sich eines angenehmen Lebensstils erfreuen konnte.
    Die Stimme von der Decke meldet sich wieder. »Er war in Philadelphia, um ein paar Freunde zu besuchen. Am Abend fuhr er zu einer Bar namens Numero Uno. Dort hast du in einer Gasse gewartet. Du hast ihm einmal in den Fuß geschossen, dann zweimal in den Kopf und zweimal in die Brust. Dann hast du sein Motorrad gestohlen.«
    Das Wort ›Philadelphia‹ erregt Tikkis Aufmerksamkeit. Ihr Aufenthalt in dieser Stadt vor zwei Jahren war nicht sehr angenehm. Sie hat dort einen Mann gesucht, um ihn dafür büßen zu lassen, daß er versucht hat, sie zu töten. Es endete damit, daß sie in die Fänge eines mächtigen Magiers geriet, dem sie wie eine Sklavin ergeben war. Sie ist sich immer noch nicht darüber im klaren, wie das geschehen konnte, aber sie weiß mit Sicherheit, daß er ihre Sinne, ihre Gedanken und viele Dinge, die sie tat, manipuliert hat. Diese Erfahrung brachte sie zu der Erkenntnis, daß sie genug von den Zweibeinern hatte, vielleicht ein für allemal, so daß sie mit Raman, dem Vater ihres Jungen, nach Norden in die Wildnis von Maine zog.
    Hat sie in einer Gasse in Philadelphia irgendeinen Burschen umgelegt und dann sein Motorrad gestohlen? Sie erinnert sich an einen Vorfall in einer Gasse, in die so ein Bursche verwickelt war, möglicherweise ein Ork, aber sie weiß nicht mehr genau, was geschehen ist. Sie hat mit Sicherheit solche Dinge getan wie die, von denen die Stimme redet. Viele Zweibeiner haben sie dafür bezahlt, solche Dinge zu tun.
    Und wenn schon? Gibt es einen Unterschied zwischen dem Töten eines Tiers, um es zu essen, und dem Töten eines Zweibeiners, um mit seinem Motorrad zu fahren? Das eine geschieht offensichtlich aus Gründen des Überlebens. Das andere?
    »Das war mein Sohn in

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