Jäger und Gejagte

Shadowrunner, der bis vor kurzem in der nahegelegenen Stadt Newark aktiv war.«
    »Er ist ein Shadowrunner?«
    »Ja, Enoshi- sama .«
    Bemerkenswert. Enoshi ist ziemlich verblüfft. Sich vorzustellen, daß ein Direktor einer KFK-Tochter so eng mit einem bekannten Shadowrunner verwandt ist. Enoshi weiß nicht, was er davon halten soll. So etwas ist noch nie vorgekommen. Potentielle Execs aller KFK- Töchter werden gründlich unter die Lupe genommen, um zu gewährleisten, daß es nichts in ihrer Vergangenheit gibt, was zu Schwierigkeiten führen könnte. »Es ist sehr schwer für mich zu verstehen, wie das sein kann. Ist es möglich, daß Ihre Quellen in diesem Fall ungenau sind?«
    »Gewiß, Enoshi- sama , das ist möglich. Es kann viele ›Bandits‹ geben. Die Verbindung, die wir zwischen Mr. Scott Berman und dem Shadowrunner namens Bandit hergestellt haben, ist nicht definitiv, da sie in erster Linie auf der Fotovergleichstechnik beruht, die nicht absolut zuverlässig ist. Aber ich würde meine Pflichten vernachlässigen, wenn ich Sie nicht auf gewisse andere Details aufmerksam machte, die mit dieser Angelegenheit in Zusammenhang stehen.«
    »Bitte fahren Sie fort.«
    »Wir haben uns vergewissert, daß Mr. Scott Berman seit ungefähr fünfzehn Jahren ohne Benutzung seiner Systemidentifikationsnummer lebt. Sein offizieller Lebenslauf endet vor fünfzehn Jahren. Anscheinend ist er um diese Zeit verschwunden. Auf Antrag seiner Eltern hat die Polizei eine Untersuchung seines Verschwindens durchgeführt, die jedoch nichts erbracht hat. Die Akte wurde schließlich geschlossen. Mr. Scott Bermans SIN wurde als inaktiv eingestuft und er selbst für tot erklärt.«
    Natürlich. Die einzig mögliche Erklärung. Oder diejenige, welche einem als erste einfallen würde. Ms. Bermans Bruder wurde für tot erklärt, sein offizieller Lebenslauf ist abgeschlossen. Daher haben alle Überprüfungen, denen Ms. Berman bei ihrer Anstellung unterzogen worden ist, keine Verbindungen mit potentiell gefährlichen Personen, geschweige denn Kriminellen oder Shadowrunnern erbracht.
    Enoshi schließt die Augen und reibt sich die Stirn. Seine Kopfschmerzen werden wieder stärker. »Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, daß Ms. Berman persönlich in kriminelle Aktivitäten verwickelt ist?«
     
    »Sie hat jemanden erwähnt, der einen Konzern bestiehlt, die beteiligten Parteien jedoch nicht identifiziert. Kurz danach wurde die Überwachung unterbrochen.«
    »Sie haben die Überwachung unterbrochen?«
    »Nein, Enoshi- sama . Unsere Audioüberwachungsgeräte haben plötzlich die Übertragung eingestellt. Kurz vorher warnte Mr. Scott Berman Ms. Amy Berman, daß ihr Telekom möglicherweise angezapft werde. Ich habe den Verdacht, daß er sich einer magischen Methode bedient hat, um die Überwachungsgeräte in Ms. Amy Bermans Wohnung lahmzulegen. Mr. Scott Berman scheint ein Schamane zu sein.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja, Enoshi- sama .«
    Eine höchst bestürzende Wendung der Ereignisse. Enoshi weiß nicht viel über Schamanen, aber alles, was er je über sie gehört hat, legt den Schluß nah, daß es sich bei ihnen, positiv ausgedrückt, um sehr individualistisch veranlagte Persönlichkeiten handelt. Die schlimmsten sind Öko-Terroristen, die in brutale, direkt gegen Konzerne gerichtete Aktivitäten verwickelt sind. Enoshi sieht Usami an und sagt: »Aus dem gestrigen Treffen der beiden wissen wir, daß sie den Kontakt zu ihrem Bruder verloren hatte. Gab es heute abend einen Hinweis auf den speziellen Grund, der sie jetzt wieder zusammengeführt hat?«
    »Mr. Scott Berman hat wiederum von der Notwendigkeit gesprochen, sich auf Leute einzustimmen. Ich weiß nicht, welche Bedeutung dies für einen Schamanen haben könnte. Ich halte es jedoch für durchaus vorstellbar, daß es sich dabei um eine Art von kriminellem Jargon handelt, der sich auf bestimmte Personen bezieht, mit denen Mr. Scott Berman im Zusammenhang mit illegalen Aktivitäten Kontakt aufnehmen will.«
    Enoshi massiert seine Stirn. Er hat sich Teile der Niederschrift der gestrigen Unterhaltung zwischen Ms. Berman und ihrem Bruder durchgelesen. Auf den ersten Blick ein schlichtes Wiedersehen. Die heutigen Enthüllungen werfen ein ganz neues und möglicherweise finsteres Licht auf das Treffen. Die Möglichkeit, daß Ms. Berman in irgendeine kriminelle Verschwörung, möglicherweise unter Beteiligung von Mitsuhama-Agenten oder terroristischen Elementen, verwickelt ist, machen es erforderlich,