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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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was die Leute denken?«
    Scottie scheint darüber nachzudenken, dann sagt er: »Manchmal weiß ich, was sie fühlen.«
    »Weißt du, wann sie lügen?«
    »Manchmal.«
    Amy kommt ein Gedanke, aber er ist verrückt, und sie sollte ihn einfach vergessen. Er ist doch ihr Bruder, oder? Ihr Bruder, den sie seit Jahren nicht gesehen hat. Sie sollte nichts in Erwägung ziehen, was ihn in ihre beruflichen Probleme verwickeln könnte.
     
    »Belügen dich irgendwelche Leute?« fragt Scottie.
    »Nein, eigentlich nicht.« Das hat sie nicht gesagt, oder? »Nein, ich habe einige Unregelmäßigkeiten in unserer Buchführung entdeckt. Es ist unklar, was los ist, also habe ich noch niemanden damit konfrontiert, so daß bisher niemand Gelegenheit hatte, mich zu belügen. Aber laß uns über etwas anderes reden. Über dich.«
    »Wir reden über mich. Über dich und mich.«
    »Scottie, das ist nur irgendeine Konzernintrige. Schlimmstenfalls Betrug.« Warum streitet sie mit ihm? Sie sollte erklären. Sie greift nach einer seiner Hände und sagt lächelnd: »Ich bin so froh, daß du mir dieses Angebot gemacht hast. Danke. Du weißt nicht, wieviel mir das bedeutet. Es ist nur so, daß ... na ja, das ist mein Problem. Es hat nichts mit dir oder deiner Magie zu tun.«
    »Du verstehst nicht«, sagt Scottie. »Ich nehme an, ich habe es nicht sehr gut erklärt. Es ist alles eins. Magie. Leute. Konzernkram. Alles hat mit Magie zu tun, weil es um Leute geht, um Natur, um das Universum. Um dich und mich. Um alles.«
    Amy schüttelt den Kopf. »Es geht doch nur darum, daß jemand einen Konzern bestiehlt.«
    Scottie nickt. »Erzähl mir mehr davon.«

40
     
    Enoshi- sama ...«
    Die Stimme, die leise seinen Namen ausspricht, ist die einzige Warnung. Ein gelbliches Licht blendet ihn plötzlich.
    Enoshi Ken hebt eine Hand vor das Gesicht, um das grelle Licht abzuwehren, doch nicht schnell genug. Die Kopfschmerzen, die den ganzen Abend diskret hinter seiner Stirn gelauert haben, brechen plötzlich mit Macht hervor und pochen mit äußerster Brutalität. Er stöhnt, preßt eine Hand gegen die Stirn und blinzelt dann ins Licht.
    Eine undeutliche, schemenhafte Gestalt hat sich über ihn gebeugt. Einen Moment lang bildet er sich ein, daß es Setsuko ist, seine Frau. Was könnte nicht stimmen? Ein Wirrwarr vager Möglichkeiten schießt ihm durch den Kopf, um gleich darauf von der Erkenntnis verdrängt zu werden, daß sich Setsuko nicht hier in New York befindet, sondern in ihrem Haus in Philadelphia in der Nähe des nordamerikanischen Hauptquartiers von Kono-Furata-Ko International.
    »Vergib mir«, flüstert eine honigsüße Stimme auf Japanisch. Sanfte Hände setzen ihm seine Brille auf. Lippen, so weich wie Schmetterlingsflügel, streichen über seine Wange, und mittlerweile haben sich seine Augen an das Licht gewöhnt; er sieht die Frau, die sich über ihn beugt. Eine üppige Mähne goldblonder Haare rahmt Frederiques Gesicht ein. Sie lächelt zärtlich und setzt sich auf die Bettkante. Sie trägt einen durchscheinenden rosafarbenen Morgenrock, in dem sie von Kopf bis Fuß wie die exotische Traumfrau aussieht, die sie auch ist.
    Enoshi räuspert sich und sagt leise: »Was ist los?«
    »Dein Assistent hat angerufen«, flüstert Frederique.
     
    »Ich habe nichts gehört.«
    »Du hast geschlafen, mein Liebling.«
    »Ich kann es eigentlich nicht gutheißen, daß mein Assistent mit dir gesprochen hat.«
    Frederique lächelt. »Er konnte nicht wissen, wer antworten würde.«
    Nein, offensichtlich nicht, und diese Situation ist tatsächlich Enoshis eigene Schuld. Telekomgespräche können das Fehlen der gewohnten Umgebung und den täglichen Kontakt mit Frau und Kindern nicht ersetzen. Unglücklicherweise ist es nicht möglich, seine Frau auf Geschäftsreisen mitzunehmen, also hat er alles so arrangiert, daß Frederique sich hier in New York zu ihm gesellt. Das war nicht unbedingt das klügste. Zuvor hat sein Stab aus den verschiedensten Gründen vermutlich angenommen, daß er eine Geliebte hat. Jetzt weiß er es. Wenn vielleicht auch kein anderer, so weiß es zumindest sein persönlicher Assistent mit Sicherheit. Enoshi fühlt sich damit nicht wohl. Er zieht es vor, daß solche Dinge vertraulich bleiben.
    »Usami Gek hat um ein Gespräch gebeten.«
    »Jetzt?«
    Frederique lächelt, und ihr Lächeln strahlt Ruhe aus, heitere Gelassenheit. Sie ist vielleicht die unerschütterlichste Person, die Enoshi je kennengelernt hat. Sie ist so still wie das Wasser eines

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