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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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Scottie.
    Der Wagen ist gemietet. Amy hat das heute morgen über ein Münztelekom erledigt. Sie hat das aus demselben Grund getan, aus dem sie Scottie hier trifft, aus demselben Grund, aus dem sie ihren Arbiter GX im Parkhaus der New Bronx Plaza gelassen hat, und aus demselben Grund, aus dem sie die Menschenmassen in der U-Bahn ertragen hat. Scottie sagte, sie müßten vorsichtig sein. Als er letzte Nacht ihre Wohnung verließ, sind sie von jemandem beobachtet worden, entweder sie oder er oder sogar sie beide.
    Sie gibt ihm eine in Plastik eingeschweißte Karte, die ihn als Scott Hatsumi ausweist, Revisor für Kono-Furata-Ko International.
    »Wie bist du da rangekommen?« fragt er.
    »Ich habe gelogen«, sagt Amy mit schonungsloser Offenheit. Tatsächlich hat sie nicht richtig gelogen, sondern nur jemand Grund zu einer Annahme gegeben, die falsch ist, und das kommt auf das gleiche heraus. Sie ist nicht besonders glücklich deswegen. Unglücklicherweise hat sie aber auch keine Alternative gesehen. »Steck dir die Karte einfach an die Brusttasche und vergiß sie. Aber benutze sie nicht, weil sonst jeder Alarm auf der ganzen Welt losgeht.«
    Scottie nickt.
    »Und du bist sicher, daß du alles verstehst, worüber wir geredet haben?«
    »Ich verstehe es.«
    »Bist du sicher, daß du weitermachen willst?«
    »Glaubst du mir nicht?«
    Es geht gar nicht darum, ob sie ihm glaubt oder nicht, jedenfalls nicht in dem Sinn, den Scottie meint. Natürlich glaubt sie, was er sagt. Aber es fällt ihr sehr schwer zu glauben, daß ihr Schamanen-Bruder, der immer so fernab vom Weltlichen war, wieder so weit auf die Erde gekommen ist, daß er sich tatsächlich in ihre Probleme verwickeln lassen will. Er ist ihr stets so völlig losgelöst vom Konzernleben vorgekommen, daß sie sich immer gefragt hat, ob er überhaupt weiß, daß es so etwas wie Konzerne gibt. Und jetzt muß sie sich einfach fragen, ob er wirklich versteht, was sie ihm erzählt hat, die äußerst dringlichen, aber rein weltlichen Probleme, die ihren kleinen Bereich der Konzernwelt betreffen.
    Aber natürlich ist das unfair. Sie sollte ihm schon etwas Zutrauen. Schließlich hat Scottie die ganzen Jahre ohne einen einzigen Nuyen von ihr oder ihren Eltern überlebt. Das hätte er nicht geschafft, wenn er den Kontakt zur Realität völlig verloren hätte. Niemand hätte das. Wenn sie bedenkt, was er ihr über seine Erlebnisse erzählt hat, ist er wahrscheinlich besser für ihr heutiges Abenteuer gewappnet als sie.
    »Halt dich an die normalen Straßen«, sagt Scottie. »Sie könnten die Schnellstraßen und Autobahnen überwachen.«
    »Wer... ach, schon gut.«
    Es hat keinen Sinn zu fragen.
    Amy läßt den Wagen an und fährt auf die 150. Straße und dann zur River Avenue. Jeder könnte sie beobachten, falls sie tatsächlich beobachtet werden. Es könnte KFK sein oder auch ein Konzern aus Scotties Vergangenheit. Scottie hat bisher sehr sorgfältig darauf geachtet, keinen der Leute und Konzerne, mit denen er seit seinem Verschwinden zu tim gehabt hat, beim Namen zu nennen, wenn man einmal von Shell, seiner Freundin, absieht. Er will es so haben. Amy fühlt sich nicht ganz wohl dabei, aber sie versucht es zu akzeptieren. Außerdem versucht sie mit der Vorstellung zurechtzukommen, daß Scottie aus eigenem Antrieb nicht nur mit Shadowrunnern zusammengearbeitet, sondern sogar Raubzüge gegen verschiedene nicht näher bekannte Konzerne unternommen hat.
    Das reicht, um ihr ein Schuldgefühl einzuimpfen, um ihr das Gefühl zu geben, selbst eine Kriminelle zu sein.
     
    Offensichtlich ist sie dabei, eine zu werden. Und obendrein den Verstand zu verlieren.
    Scottie sagt, seine Erfahrungen mit Shadowrunnern beschränkten sich auf Gelegenheiten, bei denen die Konzerne zwar gesetzlich im Recht, moralisch jedoch im Unrecht gewesen seien. Amy sieht die Ähnlichkeit zwischen diesen Fällen und ihrer gegenwärtigen Situation. Was sie Vorhaben, ist unrecht und illegal, aber sie tun es aus guten, richtigen Gründen. Letzten Endes ist Unterschlagung eine Art Verrat und ein Verbrechen, das aufgedeckt werden muß.
    Den Zweck die Mittel heiligen zu lassen, ist arrogant und unethisch, und sie haßt es, aber sie ist gerade verzweifelt genug, um es darauf ankommen zu lassen.
    Die Jerome Avenue bringt sie zum Haupteingang des Van Cortlandt-Industriegebiets. Beide Straßenseiten werden von dunkelblauen Autos und Lieferwagen von Apollo Services gesäumt. Amy hält den Elite vor dem Wächterhäuschen an.

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