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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Frage als unpassend
empfand. »Ich weiß nicht, wie lange wir bleiben
können. Es ist durchaus möglich, dass jeden Augenblick ein
Einsatzkommando der feindlichen Fraktion auftaucht, und wir wollen
auf keinen Fall in ein weiteres Feuergefecht verwickelt
werden.«
    »Wir haben die CIA-Spitze und die Zweige in New York noch
immer nicht vollständig unter Kontrolle«, erklärte
Breaker.
    »Garvey?«, erkundigte sich Ben.
    »Seine Vorgesetzten haben Einfluss, ja«, räumte
Breaker ein.
    Delbarco führte uns im trüben Licht viele Stufen hinauf.
Die Trittflächen der grau gestrichenen Stahltreppe waren
abgenutzt und glänzten matt. Wenn man durch den Treppenschacht
nach oben blickte, konnte man sechzehn Stockwerke hoch, bis zum Dach
des Gebäudes hinaufsehen.
    »In den ersten vier Stockwerken befinden sich vor allem
Fässer und stählerne Tanks für Kulturen, wie in einer
Brauerei«, sagte Delbarco. »Die meisten sind schon lange
nicht mehr benutzt worden. Man kann sich nur schwer vorstellen, warum
sie solche Mengen zur Markierung brauchten, vielleicht ist es ja auch
was anderes. Die Techniker werden Proben davon nehmen, sobald sie
eintreffen.«
    »Genau das wollte mein Bruder auch«, sagte ich
gedankenverloren.
    Drei Stockwerke. Es war schwer, in dem Schutzanzug genügend
Luft zu bekommen, aber ich kam einigermaßen zurecht. Ben tat
sein Bestes, Kurzatmigkeit und mangelnde Kondition zu verbergen.
    Nachdem Delbarco die Tür zum vierten Stockwerk
aufgestoßen hatte, gingen wir über einen glänzenden,
glasartigen blaugrauen Fußboden an langen Reihen von Stahltanks
vorbei – der größte mehr als sechs Meter hoch und
drei Meter breit –, die von Kühlschlangen und einem Gewirr
verschiedenfarbiger Rohrleitungen umgeben waren. Am anderen Ende des
Korridors lag ein verlassenes Labor mit gläsernen Wänden,
dessen stählerne Arbeitstische sauber glänzten. Die
Glasschränke waren leer. Zwei der großen Scheiben waren
zerschossen, der Boden war mit ihren Splittern übersät.
    An der einzigen unversehrten Scheibe lehnte eine leblose Gestalt:
eine schlanke junge Frau, noch keine zwanzig, in deren Stirn ein
kleines Loch klaffte. Unter ihren Beinen sickerte eine Blutlache
hervor. Sie hatte den durchtrainierten, feingliedrigen Körper,
wie er früher für Turnerinnen des Ostblocks typisch gewesen
ist. Eine Schönheit in Overall und rotem T-Shirt.
    Delbarco ging an der Toten vorbei. »Im achten Stock haben wir
Kinder, recht viele Kinder entdeckt, die noch am Leben sind. Sie sind
nicht bewaffnet, soweit wir sehen konnten, deshalb lassen wir sie
derzeit noch außen vor.«
    Mir fiel Nicolae Ceausescu ein, der ehemalige rumänische
Diktator, der den harten Kern seiner Leibgarde aus Waisenhäusern
rekrutiert und von Kindheit an zu einer Art prätorianischen
Garde erzogen hatte. Er war 1989 gestürzt und hingerichtet
worden. Seine junge Leibgarde hatte ihn bis zum Schluss fanatisch
unterstützt und verteidigt. Man hatte sie wie tollwütige
Hunde erschießen müssen.
    »Ich würde die Kinder gern sehen«, sagte ich.
»Werden sie bewacht?«
    »Nein. Wie ich schon sagte, lassen wir sie vorläufig in
Ruhe. Möglich, dass sie Bomben am Leib tragen oder kontaminiert
sind.« Sie hatte es eilig, das Thema zu wechseln. »Wir
vermuten, dass in großen Teilen des Gebäudes in letzter
Zeit nicht gearbeitet wurde. Aus den meisten Lampen waren die Birnen
herausgeschraubt.«
    »Ich muss mir diese Kinder genauer ansehen«, beharrte
ich. »Ich möchte wissen, in welcher Weise sie benutzt
wurden.«
    Widerstrebend stimmte Delbarco zu. Ich war der Experte, und sie
hatte ihre Befehle, auch wenn es ihren Tod bedeuten konnte. Ich hatte
hier das Sagen – und das behagte mir ganz und gar nicht.
    Wir folgten Breaker in den nächsten Stock. Im Treppenhaus
kamen wir an einem weiteren Toten vorbei. Es war ein junger Mann,
nicht älter als zwanzig, der auf dem Rücken lag, alle viere
von sich streckte und zum nächsten Treppenabsatz hinaufstarrte.
Seine erschrockene Miene hatte der Tod geglättet. Sein Blut war
von Stufe zu Stufe getropft. Mit dem eigenen Blut hatte er Krakel
gemalt und schließlich zwei Buchstaben hinbekommen, die noch zu
entziffern waren: ein kyrillisches K und ein A. Vielleicht hatte er
seinen Namen schreiben wollen oder einen Abschiedsgruß an
Freunde.
    »Wo sind die Männer, die das Haus gestürmt haben
und im Ernstfall verteidigen?«, fragte Ben.
    »Wir haben sie abgezogen, sobald das Gebäude in unserer
Hand war. Uns fehlen überall Leute«,

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