Jäger
Arterien,
aus.«
»Und was ist, wenn ich mein ganzes Leben völlig
entspannt verbringe, ohne jeden Stress?«
»Alles, was wir tun, verursacht verschiedene Arten von
Stress«, erwiderte ich. »Ein Leben ganz ohne Stress ist
auch nicht gesundheitsfördernd. Aber wenn wir bei der Arbeit
versagen, wenn wir unglücklich verliebt sind, wenn wir krank
werden, wenn wir wütend, frustriert oder traurig sind, reichern
sich in unserem Körper Stresshormone an. Bakterien und Viren
stellen unser Immunsystem vermehrt vor schwierige Aufgaben und
Herausforderungen, und die Wahrscheinlichkeit, dass unser Immunsystem
versagt, wächst. Aber selbst wenn das Immunsystem nicht versagt,
erholen wir uns im Laufe der Zeit aus irgendeinem Grund nicht mehr so
schnell. Wir akkumulieren in unseren Zellen genetische
Irrtümer.
Unser Körper verfällt. Wir werden schwächer. Das
Netzwerk der Mitochondrien registriert diese Anzeichen und informiert
die Bakterien in unserem Tiefengewebe und die ganze Verschwörung
wird an die Bazillen in unseren Eingeweiden weitergegeben. Die
wiederum signalisieren den Mitochondrien, weniger effizient zu
arbeiten. Das ist die eigentliche Ursache des Alterns. Gemeinsam
agieren sie als Richter, Schöffen und letztendlich auch als
Urteilsvollstrecker.«
»Das ist ein bisschen viel, um es auf einmal zu
schlucken«, sagte Montoya. »Mir fällt es, offen
gestanden, schwer zu glauben, dass Bakterien miteinander
kommunizieren und kooperieren. Sind sie nicht ausschließlich
damit beschäftigt, zu wachsen und wahllos zu fressen?«
»Was für eine Zahnbürste benutzen Sie?«,
fragte ich.
Montoya schüttelte verdutzt den Kopf. »Welche Rolle
spielt das?«
»Sagen Sie es mir einfach.«
»Eine Sonodyne. Ich besitze große Anteile an der
Firma.«
»Sie hat mit Hochfrequenz vibrierende Borsten,
richtig?«
»Ja.«
»Es gibt mehr als fünfhundert unterschiedliche Arten von
Mundbakterien«, sagte ich. »Nicht alle von ihnen
verursachen Karies. Manche wehren ihre krankheitsverursachenden
Vettern ab oder vernichten sie. Ein gesunder Mund hat mehr
Ähnlichkeit mit dem Amazonasdschungel als mit einem Werbespot
für Mundwasser.«
Montoya hauchte in seine Hände und roch am Resultat.
»Rieche ich aus dem Mund?«, fragte er lächelnd.
Ich erwiderte sein Lächeln. »Überhaupt nicht. Aber
einige der Bakterien kleben aneinander und heften sich an Ihre
Zähne. Mit der Zeit bilden sich auf Ihrem Zahnschmelz Schichten
bakteriellen Zahnbelags. Zahnärzte nennen es Plaque. Es handelt
sich dabei um eine Gemeinschaft verschiedenartiger, miteinander
kooperierender Bakterien, um einen Biofilm. Die
Sonodyne-Zahnbürste zerstört durch ihre Vibrationen diesen
Biofilm, sie bricht den Zement auf, mit dem die Bakterien sich an die
Zähne heften. Man könnte auch sagen, Sie zerstören
beim Zähneputzen ihre Häuser und rütteln sie
dermaßen durch, dass sie nicht mehr miteinander kommunizieren
können.«
»Schau, Mama. Er hat gar nicht gebohrt«, sagte
Montoya.
»Andere Bakterienpopulationen bevölkern Ihre Haut, Ihre
Schleimhäute und natürlich auch Ihre Eingeweide, wo sie
lebenswichtige Verdauungsaufgaben erfüllen.« Ich hatte das
Gefühl, damit womöglich die Grenzen dessen zu
überschreiten, was mein Gönner hören wollte. »In
unseren Eingeweiden tummeln sich so viele Bakterien, dass selbst
Menschen, die verhungern, Fäkalien ausscheiden, die
größtenteils aus Bakterien bestehen.«
»Du meine Güte«, sagte Montoya. »Der neueste
Klatsch aus Bakteria-City. Aber wenn wir für sie so wichtig
sind, warum versuchen sie dann, uns umzubringen?«
»Eine Antilopenherde lässt die Alten und Schwachen
zurück, um für die Jungen und Starken Platz zu machen. Die
Löwen dezimieren die Herde, wie ein Gärtner einen
Rosenbusch stutzt. Die Löwen mögen sich wie Killer
verhalten, aber sie sind eigentlich gute Kumpel, denn sie leisten
einen großen Beitrag zur Gesundheit der Herde. Bakterien sind
mehr als wichtige Kumpel, sie sind die erfolgreichsten Raubtiere
überhaupt. Und wir sind ihre Herde. Altern und Tod stellen eine
Möglichkeit dar, die Herde jung und gesund zu halten.«
»Und auf welche Weise verursachen Bakterien den
Alterungsprozess?«, fragte Montoya, beugte sich vor und leckte
sich mit der Zunge über die Lippen.
»Die Bakterien in unseren Eingeweiden produzieren große
Mengen eines winzigen Proteins, das ich Hades nenne.«
Jetzt kam ich richtig ins Schwitzen. »Die Zellen unseres Gewebes
aktivieren spezifische Rezeptoren, die in
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