Jäger
flachem
Wasser zu struwwelkopfähnlichen Gebilden heranwuchsen.
Hauptleitungen für die Kleinen Mütter.
Keine Fische. Keine Haie. Keine Kraken. Auch kein Seegras oder
künstliche Felslandschaften mit Muränen. Kein besonders
eindrucksvolles Aquarium, zugegeben, und kaum wert, von
irgendjemandem beachtet zu werden, doch auf der anderen Seite des
Tanks waren große Beobachtungsfenster eingelassen. Ich zuckte
vor Verblüffung zusammen, als ich jenseits dieser Fenster –
verzerrt durch die Lichtbrechung und verschwommen wegen der unruhigen
Wasseroberfläche – in rotes Zwielicht gehüllte
Menschen entdeckte. Die Gestalten sahen aus, als seien sie ins
Liebesspiel vertieft.
Als sich meine Augen an den gedämpften roten Lichtschein
jenseits des Haupttanks gewöhnt hatten, konnte ich erkennen,
dass die Gestalten dunkle Hüte oder Helme trugen, von denen
weiße Röhrchen und schwarze Rohre emporragten. Ich ging
zur gegenüberliegenden Seite der Laufplanke, umfasste mit beiden
Händen das eiserne Geländer und beugte mich darüber,
um in den angrenzenden Tank, ein schmales, rechteckiges Becken mit
lavendelfarbener Flüssigkeit, hinabzuspähen.
Die Menschen in diesem Becken, die das Gesicht den Fenstern
zugewandt hatten, befanden sich vollkommen unter Wasser. Noch
rätselhafter fand ich, dass sie alle nackt waren. Es waren
jedoch keine Liebespaare, sondern siamesische Zwillinge. Sieben
Paare. Drei waren am Bauch zusammengewachsen, drei an den
Hüften. Ein Paar, das an den Schläfen miteinander verbunden
war, trug eine Spezialmaske und eine Taucherbrille mit drei
Gläsern. Ihre Arme hingen an breiten Gummibändern, die an
schwarzen automatischen Hebeln befestigt waren, welche ihre Arme und
Beine langsam bewegten – auf und ab, nach innen und nach
außen, wie die langen schwarzen Finger eines
Marionettenspielers.
Von Entsetzen ergriffen, sah ich zu. Zuerst dachte ich, es seien
Ertrunkene, die zu einer grauenvollen Parodie moderner Kunst
gruppiert worden seien. Es waren keine Schläuche zu sehen, die
Luft zu ihren Nasen und Mündern beförderten. Von ihren
Masken stiegen keine Blasen auf. Aber ihre Finger bewegten sich. Ihre
Glieder beugten sich kraftlos gegen den Zug der Gummibänder. Sie
konnten nicht atmen, doch sie lebten.
Das lavendelfarbene Becken roch wie eine Kinderkrippe:
milchig-sauer und etwa so stickstoffhaltig wie eine durchnässte
Windel. Aber dies hier waren Erwachsene, keine Kinder, mit Haaren auf
der Brust oder vorstehenden Brüsten, vollständig
ausgebildeten und behaarten Genitalien. Ich schirmte meine Augen
gegen das Licht ab, um mehr Details ausmachen zu können.
Gleichmäßig angeordnete Reihen kleiner fleischiger
Höcker bedeckten ihre Schultern und Rücken. Jede dieser
Erhebungen hatte eine winzige Vertiefung mit einer oder zwei
schwarzen Öffnungen in der Mitte. Viel zu klein, um als Kiemen
dienen zu können. Trotzdem glaubte ich zu sehen, wie sich die
schwarzen Löcher wie winzige Münder öffneten und
schlossen.
Im Haupttank verliefen Rohre von den schwarzen Klumpen zu den
Stahlwänden unterhalb der Fenster. Kleine Ventile an den Enden
der Rohre saugten Wolken einer weißen Substanz ein, die aussah
wie geronnene Milch und große Ähnlichkeit mit den im
Umkreis von Tiefseegeysiren auftretenden Flocken hatte. Die
weiße Flüssigkeit strömte in das lavendelfarbene
Becken, wo sie wie künstlicher Schnee in einem gläsernen
Briefbeschwerer um die siamesischen Zwillinge wirbelte.
Zuhörer 1 stand auf Tammys Karte. Wenn dies die
Zuhörer waren, wem oder was, um alles in der Welt, hörten
sie zu? Wie viele solcher Becken gab es noch auf dem Schiff oder
sonst wo? Ich versuchte mir vorzustellen, wie Golochow überall
auf der Welt ungewollte Kinder einsammelte, behinderte und kranke
Kinder ebenso wie gesunde, und sie mit erstaunlicher Scharfsicht und
außergewöhnlicher Geduld entsprechend ihrer Begabungen
für besondere Aufgaben auswählte. Und dafür eine Art
biologisches Paradies schuf, ein Reservat, in dem jeder seinen Platz
hatte und etwas – für den Rest der Welt und ganz sicher
für mich – im Grunde Unverständliches tat. Ein auf
Bakterien basierendes Reich.
Dann begriff ich. Golochow hatte die siamesischen Zwillinge von
der Atmung befreit. Sie nahmen aus dem Wasser keinen Sauerstoff auf,
wie zum Beispiel Fische es taten. Sie brauchten überhaupt keinen
Sauerstoff. Sie waren nicht mehr auf Mitochondrien angewiesen, um
ihre Zellen und Gewebe mit Energie zu versorgen.
Die siamesischen
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