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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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markierte, wie ich vermutete. Kleinere
Flecken und Punkte in der Nähe von Sri Lanka, Borneo und
Neuseeland. Nirgendwo auf der Karte waren Namen oder sonstige Angaben
verzeichnet.
    Ich war mir sicher, dass die Farben wichtige Bakterienquellen
kennzeichneten. Telefonzentralen der Kleinen Mütter der Welt.
Seit den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts hatte Maxim
Golochow den Botschaften der ältesten Bewusstseinsformen der
Erde gelauscht.
    Direkt neben der Karte befand sich eine einfache, fensterlose
Doppeltür mit einem elektronischen Zahlenschloss. Erneut zog ich
Tammys Liste zu Rate, tippte mit mehr Zuversicht als zuvor die
Zahlenfolge ein, drehte den Knauf, raffte das bisschen Mut, das mir
geblieben war, zusammen und marschierte durch die Tür.
    Dahinter lag einsam und verlassen ein Hallenbad von wahrhaft
olympischen Ausmaßen. Das gebrochene Muster kleiner Wellen
kräuselte die opalblaue Oberfläche. Ich ging mit
vorsichtigen Schritten am Beckenrand entlang; meine Schuhe
quietschten laut auf dem Antirutschbelag, der sich wie
Schmirgelpapier anfühlte. Schnuppernd hob ich die Nase, beugte
mich über das Becken und schnüffelte erneut. Kein
beißender Chlorgeruch. Ich tunkte einen Finger ins Wasser und
steckte ihn in den Mund. Kein Salzwasser, doch ich spuckte trotzdem
aus. Das Becken war mit unbehandeltem Süßwasser
gefüllt. Um unsere Mikrobenfreunde nicht zu entmutigen.
    Tammys Zahlencodes funktionierten bei allen Türen jenseits
des Hallenbads. Die Klinik verfügte über Räume mit
Massage- und Chiropraktiker-Tischen; über Abteilungen für
Akupunktur, Heilpflanzen- und Aromatherapie, in denen mir kleine
verchromte Behälter mit Duftkegeln auffielen; über
Fitnessgeräte, Entspannungsliegen und Bänke zur
Überprüfung der Koordination; über
Hydrotherapie-Becken, wie man sie in jedem guten Sportcenter findet.
(Die Heilpflanzentherapie fand ich recht ausgefallen, doch wer war
ich, um das zu beurteilen?)
    Ein Glasschrank an der Wand enthielt ordentlich ausgerichtete
Reihen undurchsichtiger, mit Etiketten versehener Gefäße,
auf denen HAUT, NASENÖFFNUNGEN, KOPFHAUT und REK-TUM stand. Auf
einigen Gefäßen grenzten kleinere Schildchen den
Verwendungszweck noch weiter ein: VORPUBERTÄT, ERSTE
MONATSBLUTUNG, ÜBER 30. Auf einem Tamponspender neben dem
Glasschrank prangte ein rotes Schild: NUR FÜR SPORT-REHA.
    Auf offenen Regalen lagen säuberlich gestapelte, in Plastik
verpackte und mit Größennummern versehene weiße
Baumwollhöschen, Sport-BHs, Suspensorien und Männerslips.
Alles sehr egalitär und nicht nach Geschlechtern getrennt. Der
Kalte Krieg war längst Vergangenheit, Glasnost hatte auch hier
seine Spuren hinterlassen. Alles hier wirkte viel moderner als in der
Anthrax-Zentrale und spiegelte wohl die neue Haltung zu einer
jüngeren Generation von Rekruten wider.
    Die Vorbereitungen für den längeren Aufenthalt einer
auserlesenen Gruppe von angepassten und durchtrainierten jungen
Leibwächtern, Kurieren und Zirkusartisten waren abgeschlossen.
Golochows Prätorianer. Mir fielen die angenehmen, freundlichen
Farben des Raums auf. Aber nirgendwo konnte ich persönliche
Dinge oder einen Hinweis darauf entdecken, dass irgendetwas schon
einmal benutzt worden war. Die Räume mussten offenbar erst noch
mit Leben erfüllt werden.
    Große Plastikcontainer in der Mitte enthielten Kulturen
einer von unsichtbaren Löffeln aufgerührten,
weißgelben Flüssigkeit. Ein Bündel von Röhren
stieg von den Containern zur Decke empor und führte von dort zu
Wasser- und Limonadenspendern, einer Duschkabine und zu einer mit
einem Vorhang abgetrennten Station für Darmspülungen.
    Als ich einen weiteren Vorhang zur Seite zog, fand ich dahinter
eine Reihe von Toiletten aus rostfreiem Stahl. Die Schüsseln
enthielten dieselbe milchige Flüssigkeit. Ausgeschiedene
Bakterien sollten mit ihren Genossen wiedervereint werden, sie
durften keiner Kläranlage des Schiffes geopfert werden.
    Vielleicht wollte Dr. Goncourt die Gewässer rund um die Lemuria auch nicht unnötig verseuchen.
    Vor der hinteren Wand entdeckte ich die ersten Zeichen von
Unordnung und der Anwesenheit von Menschen. Blaue, grüne und
rote Rucksäcke waren recht achtlos auf dem Boden verstreut. Die
Hände in die Hosentaschen vergraben, schlenderte ich an den
Rucksäcken vorbei. Plötzlich kam mir eine bestimmte Idee,
die mich zum Lächeln brachte: Ich zog meine Jacke und meine
kugelsichere Weste aus und legte sie am Ende der Reihe auf den Boden.
Jetzt gehörte

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