Jäger
ich zum Team und fiel weniger auf.
Als sich die vorderen Türen öffneten, sah ich mich nach
einem Versteck um, doch es war zu spät. Drei junge Frauen kamen
herein und entdeckten mich. Sie waren Anfang zwanzig oder darunter,
fröhlich, schlank, geschmeidig und vital, trugen orangefarben
und silbern abgesetzte Trainingsanzüge und hatten die Haare mit
blauen, roten oder grünen Gummibändern hochgebunden. Sie
gingen mit energischen Schritten und verstohlenen Blicken, in denen
sich die Frage widerspiegelte, ob sie mich kannten, an mir vorbei,
lächelten höflich und strebten auf die Bänke zu.
Während sie sich gegenseitig Sensoren an Arme und Beine
schnallten, die Werte ablasen und in kleine Klemmhefter eintrugen,
unterhielten sie sich leise und etwas befangen in nicht ganz
akzentfreiem Englisch. Die Messungen schienen zur alltäglichen
Routine zu gehören. Meine Gegenwart schien sie keineswegs zu
beunruhigen.
Ein weiterer ganz normaler Tag im Studio – jenseits des Chaos
und des tödlichen Irrsinns auf dem Rest des Schiffs.
Nachdem ich ihnen eine Weile zugesehen hatte, ging ich, weil ich
mich wie ein Voyeur fühlte, auf die Tür zu, durch die sie
gekommen waren. Laut Tammys Karte waren dahinter die
Schminkräume, die Proberäume für das Amphitheater und
ein relativ großer, kreisrunder Saal, der mit Zuhörer 1 bezeichnet war.
Draußen, im halbrunden Gang, hörte ich hinter einer
halb geöffneten Luke mit Lüftungsschlitzen das
Geräusch von fließendem Wasser und ein leises elektrisches
Summen. Ich schob die Luke auf, schlüpfte hindurch und gelangte
in eine Art Pumpenraum mit sehr hoher Decke. Im inneren Kreis des
runden Raums stand ein stählerner Tank mit einem Durchmesser von
mindestens zwölf Metern. Ein breitschultriger, stupsnasiger Mann
in orangefarbenem Sweatshirt und blauen Leggins, der Anfang
dreißig sein mochte, kam um den Tank herum, ging mit schnellen
Schritten an einem Wald von Zuleitungsrohren vorbei und trat dann
wieder in mein Blickfeld. Er war damit beschäftigt, Notizen auf
Papieren einzutragen, die ein Klemmbrett festhielt.
Als er mich entdeckte, blieb er wie angewurzelt stehen,
lächelte scheu, drehte sich um und machte kehrt marsch.
Das Gefühl der Unwirklichkeit wurde stärker und
stärker. Im Herzen von Golochows neuem Hauptquartier traf ich
nicht auf Feindseligkeit, möglicherweise war ich sogar
willkommen.
Ich holte tief Luft, um meine Nerven zu beruhigen, die inzwischen
wie tibetanische Gebetsfahnen auf einem sturmumtosten Pass
flatterten. Eine steile Leiter direkt vor mir führte zu einer
Laufplanke über dem Stahltank empor. Ich stieg, wachsame Blicke
in den Pumpenraum werfend, hinauf. Der Tank war voll dunkler Schatten
und so tief, dass ich nicht bis zum Grund sehen konnte. Sein riesiges
schwarzes Maul gähnte unter einer konkaven Haube, die an dicken
Ketten von den Doppel-T-Trägern des Oberdecks herabhing. Aus dem
Dunkel war in regelmäßigen Abständen ein Klatschen zu
hören.
Es roch nach frischem, nicht abgestandenen Meerwasser. Ein
Aquarium, vermutlich. Ich musste an die zertrümmerten Glastanks
in der Anthrax-Zentrale denken.
Meine unfertige Hypothese nagte an mir wie eine Schar hungriger
Ratten. Funken von Ideen sprühten auf, Vermutungen, Ängste. Was, zum Teufel, will ich hier eigentlich herausfinden?
Delbarco hatte gesagt, sie sei nicht scharf darauf zu erfahren,
was hier wirklich vor sich gehe, sie wolle ihre Nachtruhe nicht aufs
Spiel setzen. Zu spät, hatte Breaker erwidert.
Ganz richtig.
In der Mitte der Laufplanke stieß ich auf eine
Instrumententafel mit Schalterfeld und konnte einige schwer lesbare
Schilder in englischer Sprache ausmachen: Beleuchtung. Mikrofone.
Musik.
Als ich auf den Schalter drückte, unter dem Beleuchtung stand, glühte nach und nach blaugrünes Licht auf und
der Tank erwachte zum Leben. Er war nicht so tief, wie ich angenommen
hatte: In der Mitte stand das Wasser etwa schulterhoch, falls das
Licht mir keinen Streich spielte. Auf dem Grund wuchsen
pilzähnliche, schwarzgrüne Organismen. Wegen der
strähnigen Algen, die auf ihnen gediehen, wirkten sie wie
behaart. Die Organismen ähnelten alten Korallenbänken oder
überwucherten Baumstümpfen. Wie die vermoderten
Strünke einer versunkenen Vegetation ragten sie aus dem
Sandboden.
Kein Zweifel. Golochow gefiel es, Stromatoliten zu kultivieren, er
liebte die Kolonien von Cyanobakterien, Eukaryoten und Algen, die im
Laufe von Jahrhunderten dicke Schichten bildeten und in
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