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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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und blieb steif und reglos liegen.
    Der Gestank wurde schlimmer.
    Ich beobachtete ihn wachsam, bereit, erneut zuzuschlagen, doch
dann verlor ich die Kontrolle über meine Körperfunktionen,
tauchte mit dem Kopf zwischen meine Knie und übergab mich. Ich
hatte nur sehr wenig saure Flüssigkeit im Magen. Sie tropfte
zwischen meinen Füßen auf den Boden und floss unter den
Sitz.
    Ich registrierte, dass die silbrig schimmernde Luftblase, die sich
im Rahmen des Tauchboots verfangen hatte, inzwischen nur noch so
groß wie die Luftblase in einer Wasserwaage war.
    So ungeheuer groß war der Druck.
    Ich setzte mich auf und wartete darauf, dass die Acrylkugel im
nächsten Augenblick entlang der weißen Furche oder an
einer der fünf Vertiefungen zerbersten würde.
    Die höfliche Frauenstimme des Tauchboots meldete sich wieder.
»Bitte benutzen Sie die manuelle Steuerung, um den Autopiloten
abzuschalten.«
    Ich stellte ein paar Berechnungen an, die trotz meiner Panik
merkwürdig exakt waren. Zweihundertundvierundvierzig
Atmosphären Außendruck. Vierundzwanzigmillionen
siebenhundertund dreiundzwanzig Pascal. Zweihundertundneunundvierzig
Kilopond pro Quadratzentimeter. Das Gewicht von sieben Limousinen auf
jedem Quadratzentimeter.
    Mein Kopf wurde langsam wieder klar. Ich wischte mir mit dem
Handrücken das Blut von der Wange und rieb es am Stoff meines
Thermoanzugs ab. Denk an die Ausbildung. Denk nach.
    Unter meiner Liege war mein eigener Steuerknüppel – der
Steuerknüppel des Copiloten – verstaut. Ich konnte ihn
hervorziehen, mit der Steckbuchse im Sockel meiner Liege verbinden
und einschalten. Ich konnte die Marys Triumph übernehmen.
    Dave gab ein tiefes Seufzen von sich und sackte in sich zusammen.
Er sah jetzt wie eine dieser in den Kombüsen aller
Meeresforschungsschiffe anzutreffenden Schaufensterpuppen aus
Polyurethanschaum aus, die auf den Meeresgrund befördert werden
und, nachdem der Druck der Tiefe sie zerquetscht hat, zur Erheiterung
aller wieder heraufgeholt werden. Entsetzt beobachtete ich ihn. Doch
er wurde nur schlaff und diese völlige Spannungslosigkeit war
fast noch schlimmer mit anzusehen als alles andere. In seinen halb
geöffneten Augen lag ein versöhnlicher, teilnahmsloser
Glanz. Sie drehten sich in ihren Höhlen zu mir empor,
während ihm der Kopf nach und nach auf die Brust sank. Langsam
kippte Dave nach vorn, bis der Sitzgurt, der noch immer um seine
Schultern geschlungen war, ihn bremste und in eine aufrechte Position
zog.
    Er sah aus wie tot.
    Die Marys Triumph drehte sich knapp über dem
Meeresboden um die eigene Achse. Ich griff unter meinen Sitz, tastete
nach dem Steuerknüppel, löste ihn aus den Klammern, hob ihn
in die Höhe, um die Steckverbindung zu begutachten, und
versuchte, ihn in die Steuerungsbuchse zu schieben. Schweiß
floss mir in die Augen. Der Steuerknüppel wollte nicht
einrasten. Ich beugte mich hinab und riss mit schweißnassen
Fingern die Plastikkappe von der kleinen Steckbuchse ab. Ich zitterte
inzwischen so stark, dass ich beinahe ein Dutzend Versuche brauchte,
den Steuerknüppel in die Buchse einzuführen und fest genug
nach unten zu drücken, um sowohl die elektrischen wie auch die
mechanischen Kontakte einrasten zu lassen.
    Ich bewegte den Steuerknüppel hin und her.
    »Automatische Steuerung des Copiloten ist aktiviert«,
verkündete Mary’s Stimme. »Sollen wir mit dem
Auftauchmanöver zur Oberfläche beginnen?«
    Man hatte mich nicht mit allen Funktionen vertraut gemacht, die
der Autopilot ausführen konnte; seinerzeit hatten wir alle es
als überflüssig angesehen. »Klar«, sagte ich.
»Ja, bitte.«
    Ich stieß Dave mit dem Zeigefinger an. Keine Reaktion. Er
hatte den LCD-Bildschirm und zwei kleinere Displays zertrümmert.
Entweder versuchte ich es mit dem Autopiloten oder gar nicht.
    Das Tauchboot drehte sich noch immer um die eigene Achse.
    »Ja«, sagte ich lauter. »Auftauchen.«
    »Antworten Sie klar und deutlich für die
Stimmaktivierung.«
    »JA!«, schrie ich. »AUFTAUCHEN!«
    »Beginn des Aufstiegs zur Oberfläche. Senden
Notsignale.«

 
Kapitel 9
     
    Das Wasser draußen vor der Kapsel wurde heller. Uns umgab
jetzt ein graues Zwielicht. Ich wischte mir den kalten Schweiß
aus den Augen.
    Zehn Minuten bevor wir die Oberfläche erreichten, begann Dave
sich zu bewegen. Ich beobachtete ihn von meinem Sitz aus, bereit,
erneut zuzuschlagen.
    »Mir ist schlecht«, stöhnte er.
    »Sitzen Sie still«, sagte ich.
    Er stierte mit verständnislosem Blick auf

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