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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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den Autopiloten abzuschalten. Irgendetwas stimmte
nicht, denn zunächst weigerte er sich, die Navigation des Bootes
wieder auf manuelle Steuerung zu übertragen. Dave zog das
Touchpad zu sich heran und tippte einen Überschreibungsbefehl
ein: Mit einem kurzen akustischen Signal schaltete sich der Autopilot
ab.
    Gleich darauf navigierte Dave die Mary’s Triumph mit
meinem Steuerknüppel.
    Das Tauchboot pflügte, damit wir nicht kenterten, quer durch
die anrollende See. Wir schlingerten wie ein Pudding in der Kurve und
mussten immer wieder heftige, Übelkeit erregende
Stöße, zuweilen auch harte Schläge hinnehmen. Wenn
ich bei dieser rauen See im Tunnel stehen blieb, würden meine
blauen Flecken wohl noch nach Tagen zu sehen sein. Ich tat besser
daran, in die Acrylkuppel zurückzukehren.
    Als die Tauchkapsel von einem anrollenden Brecher emporgetragen
wurde, erhaschten wir erneut einen kurzen Blick auf die Sea
Messenger. Oben rannten Menschen in Richtung des Vorderdecks. Die
Lichter waren noch immer nicht eingeschaltet. Bei der nächsten
hohen Welle sah ich in der Nähe des Hecks einen grellen
gelblichen Blitz aufzucken, dann in schneller Folge fünf
weitere.
    »Haben Sie das gesehen?«, fragte ich, als seien Dave und
ich wieder gute Kumpel, darauf aus, es gemeinsam gegen den Rest der
Welt aufzunehmen.
    »Mündungsfeuer«, sagte er mit bleichem Gesicht.
»Was, zum Teufel…?«
    »Wie sollen wir auf das Schiff kommen, wenn sie uns nicht mit
dem Kran herausholen?«
    »Wir verlassen das Tauchboot, schwimmen zum Schiff und
klettern über die Heckrampe an Bord. Höchstwahrscheinlich
wird uns eine Welle hochspülen.«
    »Oder uns am Schiffsrumpf den Schädel einschlagen«,
ergänzte ich.
    Dave widersprach mir nicht. »An der Backbordseite befindet
sich eine Tauchplattform – falls die da drüben sie bei
einem solchen Seegang herabgelassen haben, was eher unwahrscheinlich
ist. Wir müssen schnell wieder aus dem Wasser heraus.«
    Das war wichtig. Zehn oder fünfzehn Minuten in diesem eisigen
Wasser konnten, selbst in unseren Thermoanzügen, tödlich
sein.
    »Es ist wichtig, dass die erfahren, was passiert ist«,
bemerkte Dave.
    »Dass Sie dort unten ausgerastet sind?« Meine Zähne
klapperten.
    Der Pilot schien sich mit dieser Deutung der Situation anfreunden
zu können. Zumindest widersprach er mir nicht. »Das Gehirn
wird dabei praktisch ausgeschaltet«, erklärte er und sah
dabei wie ein verängstigter kleiner Junge aus, der einen
schlimmen Streich gesteht. »Die können dich einfach
anrufen. Und dann bist du fix und fertig.«
    In Daves Kopf ging es offensichtlich rund, seine Gedanken sprangen
hin und her, von Süden nach Norden und zurück, ohne dass
ein Kompass ihm Orientierung hätte bieten können.
    Plötzlich leuchtete die Sea Messenger wie ein
Fischkutter bei der Hafenparade am Nationalfeiertag auf: Signal- und
Positionslampen wurden eingeschaltet, silbern, rot und grün
schimmernde Strahlen brachen sich in den Wellen. Der Lichtkegel eines
Scheinwerfers schwenkte von der Brücke durch die feuchte Luft,
dann leuchtete ein zweiter auf dem Achterdeck auf. Sie schweiften
suchend über das dunkle Wasser und überkreuzten einander
auf Höhe der Mary’s Triumph. Dave hielt die Hand
schützend vor die Augen.
    »Endlich ist jemand aufgewacht.« Er wischte sich mit
beiden Händen übers Gesicht und starrte mit
unglücklichem Kopfschütteln auf seine Handflächen.
»Das war’s für mich. Kommen Sie mit?«
    Dave stemmte sich aus dem Sitz und streifte mich mit einem Blick,
als würde er nur mal schnell einen Kaffee trinken gehen und
fragen, ob ich auch Lust auf einen hätte.
    »Sie können nicht von hier zum Schiff
herüberschwimmen«, sagte ich. War es das, was er vorhatte
– das Tauchboot verlassen und zum Mutterschiff schwimmen? Wir
waren viel zu weit entfernt, bei dieser schweren See – selbst
für einen sehr guten Schwimmer.
    Er griff nach einer Verstrebung über seinem Kopf und hangelte
sich mit einer bei seinem Leibesumfang verblüffenden
Behändigkeit zur Luke. Dann schwang er herum und kniete sich auf
die dritte Liege.
    »Bis dann«, sagte er. »Lassen Sie sich von mir
einen guten Rat geben: Gehen Sie nicht ans Telefon.«
    Ehe ich reagieren konnte, kletterte er die Röhre hinauf. Ich
fluchte und stürzte hinter ihm her, doch er war so schnell wie
eine Robbe und aus der Luke, bevor ich einen Fuß zu fassen
bekam. Was zur Folge hatte, dass ich ein Stück
zurückrutschte und in einer prekären und unbequemen

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