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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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geht es meinem wundervollen Prinzen
Hal?« Er klang wirklich wie Rob.
    »Hör auf, dieses idiotische Spiel mit mir zu
treiben«, bellte ich.
    »Hör mir genau zu. Du bist müde, aber es ist
höchste Zeit, dass du mir zeigst, was du drauf hast.« Die
Stimme begann, eine lange Reihe von Zahlen vorzulesen.
    »Warte«, bat ich. »Ich verstehe nicht, was du
sagst. Langsamer bitte.«
    »Hast du’s?«, fragte die Stimme. »Lies mir die
letzten drei Zahlen von hinten vor.«
    Ich versuchte mich zu erinnern, aber es gelang mir nicht.
»Ich habe heute Lissa getroffen«, sagte ich.
    »Ja? Hör noch mal zu und benutze diesmal deinen Kopf.
Das hier ist wichtig.«
    War es wirklich Rob? Einen Moment lang war ich davon
überzeugt. Schließlich hatte ich persönlich ihn ja
gar nicht mit herausquellendem Gehirn gesehen; nur der dämliche
Bestattungsunternehmer, der Trinkgelder ablehnte, hatte ihn so
gesehen. Ich hatte den Tod meines Zwillingsbruders auf gut Glauben
und ohne einen Beweis hinnehmen müssen. Deshalb war ich von
seinem Tod noch keineswegs überzeugt.
    Es tat gut zu glauben, dass er noch lebte und ich mich bei ihm
entschuldigen konnte. »Bist du in der Gegend? Unten auf der
Straße?«, fragte ich. »Rob, es tut mir so
Leid…«
    »Halt bitte den Mund.« Die Stimme las mir erneut die
Reihe der Zahlen vor. Die warme Luft kam mir dickflüssig wie
Wackelpudding vor. Als ich die letzten drei Zahlen der Liste nicht
wiederholen konnte oder wollte, fluchte der Anrufer leise vor sich
hin und legte auf.
    Dass ich meinen Zwillingsbruder erneut enttäuscht hatte,
deprimierte mich. Wie gern hätte ich es irgendeinem Menschen
endlich einmal recht gemacht und das getan, was man von mir
erwartete.
    Ich verfiel in einen matten Dämmerzustand. Erinnerte mich,
dass es Zeit war, meine Tabletten zusammen mit einer Mahlzeit
einzunehmen. Das würde mir gut tun. Ich machte eine weitere Dose
auf, weiße Bohnen diesmal, schluckte meine Pillen und aß
die Hälfte des Inhalts. Dann lehnte ich mich auf dem Stuhl
zurück und schlief ein.
    Als ich wieder aufwachte, war ich von Kopf bis Fuß steif und
es war neun Uhr morgens. Banning rüttelte mich an der Schulter
und hielt mir ein verschwommenes, silbrigweißes Etwas vors
Gesicht. »Das ist nicht unser Dosenöffner«,
erklärte er mit gefurchter Stirn. »Ich habe einen billigen
gekauft. Der ist verschwunden. Jemand ist in unserem Zimmer gewesen.
Haben Sie was gegessen?«
    Ich glotzte ihn belämmert an und tastete nach dem
Nachttisch.
    Der Aktenkoffer und Robs Aufzeichnungen waren noch da. »Ich
habe eine Dose Pfirsiche und eine halbe Dose weiße Bohnen
gegessen«, erwiderte ich.
    »Ich habe keine Dose mit Pfirsichen gekauft«, rief er
entsetzt, trat zwei Schritte zurück, stieß gegen den
Kasten der defekten Klimaanlage und blieb wie angewurzelt in einer
stocksteifen militärischen Haltung stehen, die unter anderen
Umständen komisch gewirkt hätte. »Sie sind
möglicherweise markiert.«
    »Mir geht’s gut. Obwohl ich schlecht geträumt
habe«, erklärte ich.
    Sein entsetzter Gesichtsausdruck wich der Verwirrung. »Hat
jemand angerufen?«
    »Nein.«
    »Wir müssen was anderes finden, wo wir bleiben
können.«
    »Na schön«, brummte ich.
    Eine halbe Stunde später hatten wir unsere Rechnung beglichen
und unsere wenigen Habseligkeiten zu Bannings Wagen geschafft.
    »Was wissen Sie über die Stadt der
Hundemütter?«, fragte ich ihn, als wir durchs Stadtzentrum
fuhren.
    »Schlimme Sache«, sagte er. »Aber es gibt noch
Schlimmeres.«

 
Kapitel 23
     
    Um zehn Uhr saßen Lissa, Banning und ich vor Monroe
Callas’ Schreibtisch. Wir hatten eine Stunde lang vor dem
Lagerhaus gestanden, ohne viel zu reden; unser Termin war für
halb neun anberaumt gewesen, und die Callas hatte uns
ausdrücklich gebeten, pünktlich zu sein. Die Spannung in
dem riesigen Raum war mit Händen zu greifen, und sie rührte
nicht daher, dass Mrs. Callas uns hatte warten lassen.
    Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Heute Morgen
war meine Haustür mit Schmierereien besprüht«,
verkündete sie mit so viel Schwung, als hätte sie zu viel
Kaffee getrunken. »Ich wohne in einer sehr ruhigen Wohngegend.
Vandalismus kommt hier selten vor, von Graffiti hat noch nie jemand
was gehört. Wir haben einen zuverlässigen Sicherheitsdienst
und verfügen über umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen,
darunter drei Umzäunungen. Zwei der Zäune sind auf meine
Initiative hin errichtet worden und stehen unter meiner
persönlichen Kontrolle.

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