Jäger
schwang das Tor
auf. Lissa folgte ein paar Schritte hinter mir.
Der Haupteingang war mit Backsteinen zugemauert, aber ich fand
eine Seitentür, die nur mit Riegel und Vorhängeschloss
gesichert war. Für dieses Schloss brauchte ich fünf
Schläge. Schließlich packte ich das herabbaumelnde
Sicherheitsschloss, zog die Tür auf und spähte in die
Dunkelheit.
Drinnen war das Tropfen und Plätschern von Wasser zu
hören. Sonnenlicht sickerte durch die Ritzen der Bretter, mit
denen die Dachluken vernagelt waren. Lissa berührte mich an der
Schulter, sagte jedoch nichts. Nach einer Minute hatten sich meine
Augen an das Halbdunkel gewöhnt. Es roch nach Schwefel, wie es
sich für eine natürliche heiße Quelle
gehört.
»Puh«, machte ich und fuchtelte mit der Hand vor meiner
Nase herum. Es ging mir nicht nur darum, den Gestank zu vertreiben,
mit dieser Geste wollte ich auch meine Nervosität
überspielen – und die Abscheu davor, mich hier weiter
umzusehen.
Ein mit Ziegelsteinen gepflasterter Weg führte zu drei
dampfenden Becken. Das größte mochte sechs oder sieben
Meter lang sein und war mit dunklem, sich kräuselndem Wasser
gefüllt. Aus einem dicken Rohr in der hinteren Wand ergoss sich
ein ständiger Strom heißen Wassers in das
größte der Becken. Die kleineren Becken fingen das
überfließende Wasser auf. Dort kühlte es auf eine
Temperatur ab, die auch für die weniger Abgehärteten
angenehm war.
Ich ließ mich neben dem kleinsten Becken auf die Knie
sinken. Über die Oberfläche zog sich ein dichter Film, der
in der Mitte gelbliche Inseln und an den gurgelnden Abflussrinnen
schaumige Rückstände bildete. Ich tauchte den Stein, den
ich immer noch in der Hand hielt, hinein und zog ihn gleich darauf
wieder heraus, um ihn zu untersuchen und daran zu riechen: faulig
– keine Algen, sondern Bakterien, vermutlich entfernt verwandt
mit den Flocken bildenden Bakterien auf dem Meeresgrund. Sie starben
bereits ab, da sie die Luft im Badehaus nicht vertrugen.
Ich hielt den Stein in die Höhe, um ihn Lissa zu zeigen, doch
sie stand nicht mehr hinter mir. Ich richtete mich auf und versuchte,
mit zusammengekniffenen Augen das Halbdunkel zu durchdringen. Jemand
bewegte sich auf der anderen Seite der Becken. Durch das Rauschen des
Wassers drang jetzt ein Ticken: offenbar eine Maschine, die nach wie
vor in Betrieb war. Ich glaubte, jemanden reden zu hören,
schnappte Wortfetzen auf.
»Lissa?«
Keine Antwort. Ich ging um die Becken herum und entdeckte dort
einen großen schwarzen Kasten und ein Gewirr von Rohren. Einige
der Rohre verschwanden im großen Becken. Alle waren rot
angestrichen. Sie sahen neuer als das Badehaus aus und waren gut
erhalten und gepflegt.
Als Lissa um den Kasten herum kam und mitten durch eine flirrende
Sonnenbahn trat, zuckte ich unwillkürlich zusammen.
»Was ist das?«, fragte sie.
Ich drehte ratlos die Handflächen nach oben.
»Es ist aus Stahl«, stellte sie fest. »Irgendwas
ist da drin, aber ich glaube nicht, dass du das Ding hier so leicht
aufbrechen kannst.«
Ich ging um den Kasten herum, der etwa anderthalb Meter
Seitenlänge hatte und zwei Meter hoch war. Die Stahltür
hallte dumpf, als ich dagegen klopfte. Sie war mindestens ein, zwei
Zentimeter dick und so undurchdringlich wie eine Panzerplatte. Ein
tief eingelassenes Schloss bot den einzigen Zugang.
»Eine Überwachungseinrichtung des
Gesundheitsministeriums?«, spekulierte ich.
»Oder ein Erdbebendetektor«, mutmaßte Lissa.
»Weißt du, wie in diesem Film? Vor einer Eruption wird das
Wasser heißer.«
Auch diesen Film hatte ich nicht gesehen.
Wir blieben noch etwa fünf Minuten im Badehaus, bis uns der
Gestank nach draußen trieb. Ich war um nichts klüger als
zuvor. Wir gingen denselben Weg durch die traurig wirkenden
Straßen zurück, den wir gekommen waren, bis wir wieder auf
dem Sachsen-Boulevard standen.
Hinter uns war das Tappen von Schritten zu hören. Lissa und
ich wirbelten herum, doch es war nur das Echo unserer eigenen
Schritte. Gleich darauf entdeckten wir einen Streifenwagen der
Highway Patrol, der im Schatten hinter einem Lagerschuppen geparkt
war. Nahezu gleichzeitig wandten wir die Köpfe nach rechts. Ein
großer Mann in enger Khakiuniform, der einen
Sam-Browne-Gürtel mit gehalfterter 45er um die Hüfte trug,
kam auf uns zu. Einen Daumen hatte er in eine Gürtelschlaufe
gehakt, während die rechte Hand frei neben dem Oberschenkel
schwang. Seinen Kopf zierte eine flotte Radlerkappe.
Ich ließ den faulig
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