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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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riechenden Stein fallen.
    »Hallo!«, grüßte Lissa mutig. Gute
Tarnung, dachte ich. Ein weißes Mittelklasse-Ehepaar,
das einen Ausflug aufs Land macht. Nichts Verdächtiges, Officer. »Was für ein wunderschöner alter Ort! Ist hier
noch irgendetwas geöffnet?«
    Der Uniformierte tippte zum Gruß an die Kappe. Seine Hand,
die merkwürdige Runzeln zwischen den Fingern aufwies, verriet
sein hohes Alter. Sein Gesicht, teilweise von einer riesigen
MacArthur-Sonnenbrille verdeckt, erinnerte an einen verschrumpelten
Bratapfel. Flaumige weiße Haarbüschel lugten unter seiner
lächerlichen Kappe hervor.
    Es war unmöglich zu sagen, wie alt er war. Jedenfalls zu alt,
um noch im Polizeidienst zu stehen.
    »Zu der Stadt ist der Zutritt verboten«, erklärte
er mit einer Stimme, die wie eine verkratzte 78er Schellackplatte
klang. »Trinken Sie bloß nicht von dem Wasser.« Er
griff nach hinten und löste einen Halter mit einer großen
Plastikflasche Evian von seinem Gürtel. »Die Tage sind
heiß hier. Ich bringe mein eigenes Wasser mit. Im Ernst, Leute
– hier ist der Zutritt verboten. Die Menschen respektieren
einfach nicht, wenn etwas Privatbesitz ist. Ich hab ein
aufgebrochenes Tor gefunden. Hier gibt’s nichts zu
klauen.«
    Ich hätte schwören können, dass im Schatten einer
zerrissenen Ladenmarkise am Ende des Sachsen-Boulevards eine graue
Gestalt stand, die die Szene beobachtete. Aber vielleicht hatte mich
auch nur der Widerschein des silbern blitzenden Polizeiabzeichens
getäuscht.
    »Hier gibt es nichts, nicht einmal Gespenster«,
krächzte er. »Ist der langweiligste Ort auf der ganzen
Welt. Niemand hier, außer ein paar langweiligen alten
Sesselfurzern. Sogar die Hunde sind alt. Kann ich Ihnen behilflich
sein, den Weg zurück zur Hauptstraße zu finden?«
    •
    Lissa schaukelte in ihrem Sitz hin und her, als wir die holprige
Asphaltstraße zum alten Highway hinunterratterten. »Er
folgt uns«, bemerkte sie nach einem Blick in den
Rückspiegel.
    Ich wurde auf dem Beifahrersitz ebenso heftig durchgerüttelt
wie Lissa. »Herrgott, sein Wagen ist vielleicht eine
Schrottlaube. Und er selbst ist ein Fall für die Geriatrie.
Spielt hier den Polizisten!«
    »Er hat einen Revolver«, sagte Lissa.
    Ein verrückter alter Spinner, der aus dem Nichts in einer
verlassenen Stadt auftauchte und in einem schwarz-weißen
Streifenwagen hinter uns herfuhr: Es war genau wie in der
Fernsehserie Highway Patrol, die sich mein Vater auch in der
x-ten Wiederholung angesehen hatte, als ich noch ein kleiner Steppke
gewesen war. Einschließlich der Sonnenbrille und des scharfen,
aber höflichen Tons.
    »Bakterien«, sagte ich. »Heiße Quellen voller
Bakterien – und nicht nur von verkackten Windeln oder
weggeschmissenen Monatsbinden, wette ich. Eine natürliche
Quelle, direkt aus der Erde. Kein Wunder, dass Rob sich dafür
interessierte.«
    Sie sagte ähm und deutete auf den Rücksitz.
»Gibst du mir bitte meine Handtasche?« Ich griff nach
hinten, dehnte meine Schultermuskeln und angelte die Handtasche aus
weichem braunem Leder vom Sitz. Sie wog schwer in meiner Hand.
    Lissa legte die Tasche auf ihren Schoß und zog eine eckige
schwarze Pistole heraus.
    »Mein Vater hat mir gezeigt, wie man damit umgeht, aber das
ist schon Jahre her.« Sie packte die Waffe beim Lauf und
streckte mir den Griff hin. Ich nahm sie in die Hand. »Kennst du
dich damit aus?«, fragte sie.
    »Nein.«
    »Aber du weißt, wie man den Abzugshahn bedient,
oder?«
    »Ich denke schon.« Ich fühlte das Gewicht der Waffe
in meiner Hand, ihre Ausgewogenheit, ähnlich einem
Laborgerät, nur dass sie einfacher zu bedienen war und fataler
wirkte. Der Tod ist simpler als die Wissenschaft. »Vertraust du
mir?«
    »Wenn du das noch fragen musst«, schnappte sie,
»nachdem ich dich zu diesem Ort des Wahnsinns begleitet habe,
wir von einem unheimlichen alten Knacker verfolgt werden und du meine
Pistole in der Hand hältst…«
    Ich drehte die Waffe vorsichtig herum: Genau so ein Ding, wie es
Mrs. Callas mir empfohlen hatte. »Sie ist nicht geladen«,
bemerkte ich.
    »Doch, das ist sie. Es ist ein Polizeimodell. Das Magazin hat
fünfzehn Schuss und in der Tasche sind noch drei weitere
Magazine.«
    Ich sah nach.
    »Er hält an«, sagte Lissa und atmete erleichtert
aus. »Nein, jetzt fährt er weiter.«
    Ich wandte den Kopf. Der schwarz-weiße Streifenwagen
wirbelte eine Menge Staub vom Straßenrand auf. Die Staubwolke
war so dicht, dass ich einen Moment lang nicht sehen konnte,

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