Jaegerin der Daemmerung
flüsterte ihren Namen, während er spürte, wie sich seine Eingeweide zusammenzogen. Er muss sie wieder einmal hintergangen haben. Zum Glück konnte er sich nicht mehr an die Einzelheiten erinnern. Das war das Schlimmste, was Xavier ihm antun konnte: Ihn dazu zu benutzen, um seiner Schwester, seiner Tochter oder seinen Tanten Leid zuzufügen.
Er spürte, wie auch Ivory, die tief in ihm schlummerte, durch sein verzweifeltes Schluchzen erwachte. Mit Ivory an seiner Seite war nichts mehr so schlimm, wie es zunächst erschien - weder der Schmerz noch das Wissen um den Verrat an seinem Körper und seinem Geist. Natalya war die Einzige, die ihn sein ganzes Leben lang geliebt hatte und die trotz der unzähligen Male, die Xavier ihr durch ihn Schaden zugefügt hatte, immer an ihn geglaubt hatte. Der dunkle Magier war nicht einmal davor zurückgeschreckt, Natalya umbringen zu wollen. Um ein Haar hätte sie seinen Körper getötet - und er hätte den Tod willkommen geheißen.
Du hast sie nicht verraten, Drachensucher. Niemals. Weder durch Gedanken noch durch Taten. Xavier hat deinen Körper benutzt, weil du sie beschützt hast.
Ivory war die Ruhe selbst, strahlte einen unglaublichen Frieden aus. Sie war seine Welt geworden.
Warum weint sie dann? Razvan fiel es schwer zu glauben, was ihm widerfuhr. Zu oft vermischten sich Vergangenheit und Gegenwart, Fiktives und Reales, bis er nicht mehr wusste, woran er eigentlich war. In all dem Durcheinander war Ivory sein Rettungsanker.
Sie weint deinetwegen. Wegen der Qualen, die du ihretwegen erleiden musstest. Ihr ist klar geworden, dass du sie nie verraten hast, dass du sie vor Xavier gerettet hast. Ivorys Stimme kam einer zärtlichen Berührung gleich. Ihr Respekt und Stolz umfingen ihn.
Immer, wenn er sich in seiner Welt nicht mehr zurechtfand, rückte Ivory sie für ihn wieder gerade. Statt gegen den überwältigenden Schmerz anzukämpfen, akzeptierte er ihn. Trotzdem wollte er nicht, dass Natalya weinte.
Weine nicht um mich, sisar - Schwester. Schon der Versuch einer gedanklichen Kontaktaufnahme war mit Schmerzen verbunden, obwohl er sich entweder allmählich an den Zustand gewöhnte oder seine Heilung war so weit vorangeschritten, dass er das Schlimmste überstanden hatte.
Razvan? Bist du das wirklich? Man sagte mir, du würdest leben, aber wenn ich versuche, mit dir in Verbindung zu treten, bist du so anders.
Ich bin dein Bruder.
Einen Moment lang herrschte Stille, die von Natalyas Seufzen durchbrochen wurde, als sie um Haltung rang. Er hat mich ausgetrickst, habe ich recht? Xavier hat mich ausgetrickst. Du hast versucht, mich zu warnen, aber ich habe nicht hören wollen. All die Jahre habe ich ihm geglaubt. Dabei warst du das alles gar nicht. Es war eine Person, die er nur vorschob, damit ich auch weiterhin Zaubersprüche für ihn produzierte.
Xavier ist ein hinterhältiger Feind.
Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte für dich kämpfen sollen, so wie du für mich gekämpft hast. Wie konnte ich nur so blind sein? Du bist mein Zwilling. Mein Bruder. Wie war es möglich, dass er mich hinters Licht führen konnte?
Ich wollte nicht, dass du es weißt. Du hättest sonst versucht, mich zu retten, und wärst wahrscheinlich gescheitert, Natalya. Er ist ein Monster. Solange du lebendig und in Sicherheit vor ihm warst, war es alles wert, was ich dafür aufgeben musste.
Meine Liebe? Meinen Respekt? Meinen Glauben an dich. Die Welt hat dich als Verbrecher abgestempelt, und ich habe ihr geglaubt. War es das wert?
Für deine Sicherheit hätte ich jeden Preis gezahlt. Ich bereue keinen Moment, dass ich mich in seine Hände begeben habe, um ihn von dir fernzuhalten. Es war meine Entscheidung. Eine Entscheidung, zu der ich jahrelang gestanden habe. Mache es mir jetzt nicht durch deine Selbstvorwürfe kaputt.
Razvan hatte seinen Entschluss nie bereut, selbst nicht in den schlimmsten Stunden seines Lebens. Er wusste, was ihr Großvater ihr angetan hätte. Dass er sie vor Xaviers Fängen gerettet hatte, war das Einzige, was er tun konnte. Es war einerlei, ob sie - oder sonst jemand - stolz auf ihn war, er war es allemal.
Ivorys Geist tastete nach seinem, umhüllte ihn, ohne dass sie sich in das Gespräch der Geschwister einmischte.
All die verlorenen Jahre, Razvan, in denen du mich gebraucht hättest.
Razvan legte ein Lächeln in seine Stimme, von dem sie wusste, dass es echt war. Es war schwer, sie den Schmerz nicht hören zu lassen, aber er wollte sie abschirmen. Für mich
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