Jaegerin der Daemmerung
einen Sprung im Fenster.
Im Innern war die Bauersfrau gerade dabei, verzweifelt sämtliche Werkzeuge, die eine scharfe Schneide hatten, in die Mitte des Raums zu schleppen. Obwohl sie schluchzte und ihr die Tränen über die Wangen liefen, arbeitete sie, so zügig sie konnte.
»Pst«, flüsterte Ivory, nachdem sie neben der Frau ihre normale Gestalt angenommen hatte. »Ich bin eine karpatianische Kriegerin. Ich bin hier, um dir zu helfen. Leg die Waffen weg und tu genau, was ich dir sage. Du musst mir unbedingt vertrauen.«
Razvan, der ahnte, dass die Frau sich maßlos erschrecken würde, wenn sie ihn sah, blieb vorsichtshalber körperlos.
»Mit deiner Hilfe können wir es schaffen, deinen Ehemann zu retten.«
Ivory sprach ruhig und langsam auf die Frau ein. Mit dem eleganten silbrigen Wolfsmantel, der ihr bis zu den Knöcheln reichte, ihrem langen, wallenden schwarzblauen Haar und dem freundlichen und unschuldigen Gesicht wirkte sie geradezu königlich - wie eine Schneeprinzessin, die zu den Menschen herabgestiegen war. Ihre Stimme klang wie warmer, flüssiger Honig. Einzig die Armbrust und der Waffengürtel passten nicht so ganz ins Bild. Als die Bäuerin die Kreuze auf den Schließen der Weste entdeckte, fasste sie Vertrauen und malte ein Kreuz in die Luft.
Ivory tat dasselbe. Sofort entspannte sich die Frau und warf die Sense auf den Haufen in der Mitte des Raums.
8
E rhobenen Hauptes lief Ivory von der Scheune zum Stall. Ihre Augen strahlten goldfarben, fast wie Whisky. Von seinem Posten im Innern des Stalls aus, wo Razvan inzwischen wartete, konnte er sehen, wie sie näher kam. Sie war einfach atemberaubend. Sie besaß in der Tat außerordentliche Fähigkeiten, so als ob die Vampirjägerin aus der Legende lebendig geworden wäre und nun elegant durch den Schnee tänzelte.
Der Vampir, der mit seinem Opfer bisher nur gespielt hatte, warf einen flüchtigen Blick zu den Pferden, die bis eben noch gestampft hatten und plötzlich ruhig waren. Auch die Schweine hörten auf zu quieken. Eine unheimliche Stille senkte sich über den Stall.
Ivory hatte nur ein knappes Lächeln für den Vampir übrig. »Wir kennen uns zwar nicht, aber ich kann nicht anders, als festzustellen, dass du keinerlei Tischmanieren besitzt. Vielleicht würdest du etwas vorziehen, das noch viel besser schmeckt?« Ohne den Vampir aus den Augen zu lassen, biss Ivory sich absichtlich ins Handgelenk.
Razvan sah, wie der Vampir sofort das Interesse an dem Menschen verlor und ihn achtlos auf den Boden fallen ließ. Während der Farmer schnell wegkrabbelte, hatte der Untote nur Augen für die beiden spitzen weißen Eckzähne, die sich in das zierliche Handgelenk bohrten, sodass zwei glänzende rubinrote Blutperlen austraten. Ivorys Duft, gepaart mit dem verführerischen Aroma des karpatianischen Blutes, wehte zum Vampir hinüber.
Razvan beobachtete, wie der Bauer auf ein loses Brett in der Wand zurobbte. Statt aber durch das Loch hindurchzukriechen, versuchte er, die Planke loszumachen, um sie als Waffe zu benutzen. Auf Ivorys Bitte hin materialisierte Razvan sich auf der anderen Seite des Stalls, beugte sich herein und legte sich die Finger auf die Lippen. Um dem Bauer zu signalisieren, dass er keine Gefahr darstellte, zeichnete er ein Kreuz in die Luft. Als sich die Augen des Mannes klärten und er unauffällig nickte, bedeutete Razvan ihm, durch das entstandene Loch nach draußen zu schlüpfen.
Kaum war der Bauer verschwunden, nahm Razvan das Äußere des Mannes an und trat an seine Stelle, während der Vampir sich mit schlurfenden Schritten Ivory näherte und sich mit einem schiefen Grinsen verneigte. Der Umstand, dass seine Eckzähne verhältnismäßig stumpf waren und noch nicht schwarz aussahen, war ein weiteres Indiz dafür, dass der Vampir noch nicht lange zu den Untoten zählte. Hinzu kam, dass er noch immer recht attraktiv wirkte. »Wie kommt es, dass du hier mutterseelenallein und schutzlos umherwanderst?«
Ivory lächelte süß. »Wie kommst du darauf, dass ich alleine sein könnte? Oder schutzlos?« Ohne den Blickkontakt mit ihm zu unterbrechen, leckte sie die Blutstropfen auf und schloss die Wunde.
Der Vampir schüttelte den Kopf. »Wenn du einen Beschützer hättest, meine Werteste, würde ich ihn wittern.«
Ivory stieß einen spöttischen Laut aus, der das Lächeln im Gesicht des Vampirs auslöschte. »Du hast mich nicht gehört. Wie solltest du dann spüren, dass mein Seelengefährte ebenfalls anwesend ist? Du warst so
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