Jaegerin der Daemmerung
gezeichnet haben. Das ist Teil meines psychologischen Spiels mit ihnen. Als ich von ihrem Hang zum Aberglauben erfuhr, kam mir die Idee. Seitdem setze ich alles daran, sie Glauben zu machen, dass sie mir nichts anhaben können.«
Im Zeitlupentempo legte sich ein Lächeln auf seine Lippen, doch als es da war, spürte sie ein merkwürdiges Kribbeln in ihrem Bauch. Um dem Gefühl Einhalt zu gebieten, wich sie einen Schritt zurück und drehte sich um. »Da du offensichtlich nicht davon abzubringen bist, mit mir zu kommen, bestehe ich darauf, dass du wenigstens vorsichtig bist und keinerlei Spuren hinterlässt, die zu unserem Versteck führen können. Xavier hat eine Armee ausgeschickt, um dich wiederzufinden, und wird dafür sein gesamtes Arsenal einsetzen.«
»Was sicherlich umfangreich ist«, ergänzte Razvan. »Und du hast ihm jetzt auch noch deinen Stempel aufgedrückt.«
Ivory erstarrte kurz, ehe sie sich wieder umdrehte und ihm in die Augen sah. »Was meinst du damit?« Ihr Mund wurde mit einem Schlag trocken.
»Du hast ihn aus meinem Verstand, meinem Herzen, meinem Körper und meiner Seele gestoßen. Um das zu erreichen, hast du deine Energie benutzt. Er wird zweifelsohne deine Handschrift erkennen, zumal du bei ihm gelernt hast. Er wird Tag und Nacht an seinen Racheplänen feilen. Aber ich werde nicht zulassen, dass er damit durchkommt. Bis er vernichtet ist, werde ich als dein Leibwächter fungieren.« Er sprach mit leiser, schwarz-samtener und zugleich unerbittlicher Stimme.
Ivorys Herz geriet wieder einmal aus dem Takt, eine dieser typisch weiblichen Reaktionen, die ihr so verhasst waren. Vielleicht war das der Grund, warum sie sarkastischer reagierte, als sie es sonst getan hätte. »Ich bin eine Kriegerin, und du weißt nur sehr wenig über die Kunst des Kämpfens. Vermutlich bist du mir im Falle eines Gefechts sowieso keine große Hilfe. Ganz im Gegenteil, du würdest mir wahrscheinlich nur im Weg herumstehen.«
Razvan deutete eine Verbeugung an. »Vielleicht hast du sogar recht. Aber vergiss nicht, dass du mit mir einen wertvollen Trumpf in der Hand hältst.«
Ivorys ohnehin schon blasses Gesicht wurde noch eine Spur heller. »Glaubst du wirklich, ich würde mein Leben für dich einsetzen?«
»Nein.« Er sah kein bisschen gekränkt aus. »Aber ich würde es tun.« Er deutete auf den Haarriss im Felsen, den Weg nach oben. »Ich habe einen Bärenhunger. Lass uns jagen gehen.«
Ivory streckte die Arme aus, um die Wölfe, die wieder zu Tätowierungen wurden, aufzunehmen.
»Warum haben wir das Rudel eigentlich vor der Jagd gefüttert?«, fragte Razvan neugierig.
»Es ist nicht ratsam, einen hungrigen Wolf mitzunehmen, wenn man keine Spuren hinterlassen möchte. Ich erlaube ihnen nur sporadisch, selbst auf die Jagd nach Wild zu gehen, damit sie ihre Instinkte nicht ganz verlieren. Aber ich möchte unter allen Umständen vermeiden, dass sie Fährten hinterlassen oder auf den Geschmack menschlichen Blutes kommen. In unserer jetzigen Gestalt hinterlassen wir keine Spuren, und sie können mir notfalls helfen.«
»Gegen eine Wolfstätowierung hätte ich auch nichts einzuwenden«, sagte Razvan. »Abgesehen davon, dass es ein kleines Kunstwerk wäre, kann es nie schaden, Augen auf dem Rücken zu haben.«
Die Bewunderung in Razvans Stimme überraschte Ivory, die sich fest auf die Lippen beißen musste, um bei der Sache zu bleiben. Sie wollte ihn nicht als Person mögen, sondern ihn nur als Mittel zum Zweck beim Kampf gegen Xavier betrachten. Dass er sie bezauberte, hatte sie nicht erwartet.
Ivory schnaubte. »Du raubst einem den letzten Nerv, Drachensucher.«
»Da kann ich dir noch nicht mal widersprechen.« Von Reue war bei Razvan keine Spur, dafür lag zu viel Belustigung in seiner Stimme.
Ivory wandte sich von ihm ab, ehe sie seinem Sinn für Humor erlag. Das Magische an Razvan war, entschied sie für sich, während sie sich in dunstförmigem Zustand durch den dünnen Spalt gen Himmel schlängelte, die Ausgeglichenheit, die er ausstrahlte. Nichts und niemand schien ihn aus der Ruhe bringen zu können. Im Grunde war das allerdings nicht weiter überraschend. Hatte er Gregori gegenüber nicht erwähnt, dass es keine Qualen gab, die er noch nicht durchgemacht hatte - egal ob physischer oder psychischer Natur? Die Aussicht auf den Tod erschreckte ihn nicht. Im Gegenteil. Bereits vor Urzeiten hatte er gelernt, dass er weder andere noch Geschehnisse kontrollieren konnte, sondern nur seine eigene Reaktion
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