Jägerin der Dunkelheit - Feehan, C: Jägerin der Dunkelheit - Shadow Game (Ghost Walkers # 1)
ihr ansehen, dass sie überlegte. Entweder ihr Vater hatte erwartet, dass sich zwischen ihnen etwas tun würde, wenn sie den Raum betrat, oder er hatte es nicht erwartet. Beides zugleich war nicht möglich. Ryland schloss vorübergehend die Augen, da er einen Blick auf die Tiefe ihres überwältigenden Schmerzes erhascht hatte. Was hatte ihn bloß dazu getrieben, eine solche Anschuldigung zu erheben? Sie hatte ihren Vater verloren, das genügte doch schon. Jetzt brauchte sie nicht auch noch zu erfahren, was für ein unglaublicher Mistkerl der Mann gewesen war. Mit seiner unbedachten Bemerkung hatte er sie getroffen.
»Lily.« Er sprach ihren Namen ganz leise aus, wie eine zärtliche Liebkosung. Eine Entschuldigung, gehaucht, um ihr einen sinnlichen Klang zu geben. Und sie intim miteinander zu verbinden.
»Hör auf damit!«, fauchte sie mit gesenkter Stimme. »Wenn das nicht echt ist und wir für ein Experiment in
irgendeiner Weise manipuliert wurden, dann müssen wir das wissen.«
»Vielleicht ist es ja gar nicht so«, erwiderte Ryland, denn er wollte unbedingt, dass es echt war.
»Ich bin ein Anker für dich. Ich gebe dir Halt. Das ist wahrscheinlich alles. Wir sind unterschiedlich, und ich habe eine Art emotionalen Magneten in mir, und der steigert …« Ihre Stimme verklang, während sie offenbar versuchte, in Gedanken weitere Teile des Puzzles zu einer logischen Erklärung zusammenzusetzen. »Das muss es sein, Captain Miller …«
»Ryland«, unterbrach er sie. »Sag meinen Namen.«
Sie musste Luft holen. Er brachte es fertig, schon allein das Aussprechen seines Namens zu einem intimen Vorgang zu machen. »Ryland«, sagte sie bereitwillig. Wie hätte sie es auch nicht tun können? Es kam ihr vor, als hätte sie ihn schon immer gekannt. Als gehörten sie zusammen. »Wir werden zueinander hingezogen, und auf irgendeine Weise verstärken unsere speziellen Gaben das, was wir empfinden. So muss es sein. Es liegt an deinem Geruch.«
Er lachte laut los. Das Geräusch war ihm fremd geworden, und daher war er ebenso verblüfft wie sie. »Du versuchst, eine einleuchtende Erklärung für unsere reichlich explosive Chemie zu finden, indem du alles auf Pheromone schiebst, die wir absondern? Das ist einfach köstlich, Lily.« Inmitten all dessen, was er durchmachte, konnte sie ihn sogar zum Lachen bringen. Lily Whitney war eine außergewöhnliche Frau, und für ihn kam sie gänzlich unerwartet.
»Also, ich meine«, entgegnete sie, »für den Unachtsamen können solche Pheromone gemeine kleine Fallen sein.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, wir fühlen uns ganz einfach zueinander hingezogen, aber belassen wir es bei deiner Erklärung, wenn dir dann wohler zumute ist.«
»Was auch immer die Gründe sind, Captain …« Ein kleines Lächeln ließ ihre Augen leuchten, als sie sich verbesserte. »Ryland. Ich glaube, wir haben auch so schon genug um die Ohren.« Sie hob ihre Stimme auf Normallautstärke. »Ich habe sämtliche Berichte gelesen, die mein Vater für den Colonel abgefasst hat – man hat mir Kopien gegeben –, aber sie enthalten überhaupt keine Informationen darüber, wie mein Vater das erreicht hat, was er getan hat.« Sie sah ihn fest an. Du hast selbst gehört, was er zu mir gesagt hat. Er war der Überzeugung, dass man euch hier gefangen hält. Ich kann das Laboratorium nicht finden, von dem er gesprochen hat, bevor er ermordet wurde … Sie stockte einen Moment, und er spürte den schneidenden Schmerz in der Nähe seines Herzens. Ich brauche die Informationen in dem Raum, weil ich dir andernfalls nicht helfen kann.
»Sie glauben doch nicht tatsächlich, Sie könnten eine Möglichkeit finden, den Prozess rückgängig zu machen, wenn es Ihrem Vater nicht gelungen ist?« Du musst das Labor finden, Lily. Ganz gleich, was du dort vorfindest, es ist wichtig für uns. Ich weiß nicht, ob meine Männer in der Außenwelt überhaupt überleben könnten. Und wenn es nach Higgens geht, werden einige von uns eliminiert werden. Ich habe das Gefühl, ich bin die Nummer eins auf seiner Liste.
Lily wandte sich von ihm ab, da sie fürchtete, der Schock sei ihr anzusehen. »Ich weiß nicht, ob ich den Prozess umkehren kann oder ob das überhaupt notwendig ist, aber bedenken Sie eines: Bei Ihnen und den anderen sind furchtbare Nebenwirkungen festgestellt worden. Besteht die Möglichkeit, dass eine der Nebenwirkungen Paranoia
ist?« Lily wollte ihn dazu bringen, vor der Kamera eine Rolle zu spielen. Wenn sie Higgens
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