Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Kampfgeräusche und Schüsse. Sadiras Gedanken erreichten mich nur verschwommen, doch ihre Angst war deutlich zu spüren. Ihre Wut war allerdings genauso groß, und das machte mir Mut. Wenn sonst nichts mehr half, wurden blanker Zorn und Hass manchmal zur einzigen treibenden Kraft.
Mit zusammengebissenen Zähnen hob ich den linken Arm und stöhnte leise, als der Schmerz mich zu überwältigen drohte. Ich verdrängte ihn, so gut es ging, und konzentrierte mich auf die Kreaturen, die Michael und Danaus angriffen. Innerhalb von ein paar Sekunden gingen sie einer nach dem anderen in Flammen auf. Als sie leblos zu Boden plumpsten, löschte ich das Feuer wieder. Meine Kräfte einzusetzen barg ein hohes Risiko. Zu oft durfte ich nicht von ihnen Gebrauch machen, sonst waren meine Reserven zu schnell aufgebraucht, was mich verwundbar machte. Das durfte mir im Kampf gegen die Naturi nicht passieren - vor allem, da ich schon geschwächt angetreten war.
Ich ließ den Arm sinken und merkte, dass ich leicht schwankte. Als ich Danaus gerade fragen wollte, wie viele Naturi wir noch zu bezwingen hatten, stürzte Michael auf mich zu. Ich sah ihn überrascht an, und im selben Moment rammte er mich auch schon mit der Schulter, sodass ich einen Satz nach hinten machte. Ich stolperte über die Leiche des Naturi, den ich gerade getötet hatte, und landete auf dem Hintern. Meine Hand traf auf einen kühlen, nassen Fleck auf dem orientalischen Teppich, und ich stellte fest, dass ich mitten in einer Blutlache saß, die von dem toten Naturi stammte. Ich wischte mir hastig die Hand an der Hose ab, um das eklige, gefährliche Zeug loszuwerden. Ich denke, es gibt wohl keinen merkwürdigeren Anblick als einen Vampir, der sich so panisch von Blut zu befreien versucht, als wäre es mit Pesterregern verseucht.
Mit gebleckten Zähnen und einem derben Fluch auf den Lippen riss ich meinen Blick von der Blutlache los und drehte mich zu Michael um. Und erstarrte. Er stand dicht hinter mir, halb über mich gebeugt, und seine Gesichtszüge waren völlig schlaff. Seine blauen Augen starrten blind ins Nichts. Kälte kroch in meine Knochen und schnürte mir die Kehle zu. Ein kleiner, roter Fleck in der Mitte seiner Brust breitete sich in Sekundenschnelle auf seinem Hemd aus, während seine Haut aschfahl wurde.
Als ich hörte, wie jemand hinter ihm mit einem leisen Schmatzen eine Klinge aus Muskeln und Fleisch zog, fiel mir auf, dass die Tür zu dem ersten Raum, der von der Eingangshalle abging, offen stand, obwohl kurz zuvor noch alle Türen geschlossen gewesen waren.
Ich fiel rasch auf die Knie und fing Michaels schlaffen Körper auf, als er nach vorn kippte. Während ich ihn auf dem Boden ablegte, sah ich meinem Engel unverwandt in sein bleiches Gesicht. Ich spürte, wie Danaus denjenigen angriff, der meinen Bewacher erstochen hatte. Mit zitternder Hand strich ich ihm seine goldenen Locken aus der Stirn und beschmierte dabei versehentlich seine makellose Haut mit Naturi-Blut.
Michaels Augen fielen zu, und seine vollen Lippen formten tonlos meinen Namen. „Schlaf, mein Engel", flüsterte ich ihm mit rauer Stimme zu, beugte mich über ihn und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. „Gut gemacht." Sein hübsches Gesicht glättete sich, als fielen alle Strapazen von ihm ab, die er in seinem Leben auf sich genommen hatte. Er entfernte sich immer weiter von Schmerzen und Angst und war auf dem Weg, seinen inneren Frieden zu finden.
Etwas in mir schrie vor Schmerz. Ich hätte ihn nach Hause schicken sollen. Ich hätte ihn niemals in mein Leben einbeziehen dürfen. Michael war wie ein frischer Wind gewesen. Er hatte vor Lebenskraft gestrotzt, und ich war schuld daran, dass sein Licht nun erloschen war.
Ich hielt ihn in meinen Armen und spürte, wie das Leben aus seinem Körper wich und sein Herz immer langsamer schlug. Seine Seele war im Begriff, sich von ihren Fesseln zu befreien. Ich konnte ihn nicht heilen. Mit all meinen Fähigkeiten konnte ich nicht mehr für einen Menschen tun, als die Bisswunden zu schließen, wenn ich von ihm getrunken hatte. Ich konnte höchstens noch versuchen, einen Nachtwandler aus ihm zu machen, aber das wollte ich nicht. Seine Seele wollte frei sein wie ein Drachen, der an seiner Schnur zappelte. Ich wusste, dass ich ihn gehen lassen musste, wie sehr ich ihn auch brauchte.
27
Die Schmerzen in meinem linken Arm waren verschwunden. Ich stand auf, ohne meine Muskeln zu benutzen. Ich aktivierte einfach meine Kräfte und ließ mir
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