Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
sind sie schon", stellte ich fest. Ich konnte sie zwar nicht spüren, aber durch Sadiras Augen sehen. Die Angst lähmte ihre Kräfte, verstärkte aber unsere natürliche Verbindung. Nachdem ich in der vergangenen Nacht so viel Blut von ihr bekommen hatte, standen wir mental in engem Kontakt.
Wir konnten uns mühelos Gedanken und Empfindungen übermitteln, und wir sahen und fühlten alles, was die jeweils andere sah und fühlte - was unter Umständen eine gefährliche Ablenkung darstellte.
„Gabriel, du gehst zu Jabari und Sadira. Du musst ihr Leben um jeden Preis schützen!", rief ich. „Michael, du gibst mir Rückendeckung!" Ich hielt den Blick fest auf die Tür gerichtet und hörte die Schritte der beiden im Korridor, als sie ihre neuen Positionen bezogen. Die Luft war von ihrer Angst erfüllt, und der intensive, betörende Geruch kitzelte in der Nase. Nichts erregte einen Vampir mehr. Außer vielleicht der Geruch von frischem Blut und der markerschütternde Schrei einer Frau, aber das nur auf der Jagd.
Mit einer ungeduldigen Handbewegung ließ ich Danaus' Schwert durch die Luft sausen. Ich brannte darauf, den Tanz endlich zu beginnen. Und diesmal war ich mit Führen an der Reihe.
Wie auf meinen Befehl öffnete sich mit einem Donnerschlag die Tür. Den Naturi gebührte Respekt, wie ich gestehen muss: Jabari hatte die Tür nur aufgestoßen, aber sie hatten sie gleich komplett aus den Angeln gehoben. Beide Flügel der massiven Eichentür flogen im hohen Bogen durch die Luft. Ich warf mich zur Seite und riss Danaus zu Boden, und noch im Fallen packte ich Michael mit der freien Hand am Hemd und zog ihn mit mir. Dann rollte ich sofort von Danaus herunter, wobei ich gut aufpasste, dass er mich nicht versehentlich mit seinem Dolch oder seinem Schwert enthauptete. Pfeile zischten über uns hinweg und schlugen ins Treppenhaus ein. Die Naturi versuchten sich den Eingangsbereich freizuschießen. Ich war bereits wieder auf den Beinen, als ich Bewegung in der Luft wahrnahm.
Mit einem Mal erfüllte ein ungeheurer Lärm die Halle, eine Mischung aus Flügelschlägen, kratzenden Klauen und Schreien. Unmengen von Raubvögeln kamen in die große Eingangshalle geflogen, die plötzlich ziemlich klein wirkte. Wir warfen uns rasch zu Boden, während unzählige Raben, Eulen, Habichte und Falken über unsere Köpfe hinweg ins Treppenhaus flatterten. Nur einige wenige griffen uns an, aber das war auch nicht ihre Aufgabe. Die Naturi hatten sie geschickt, um uns abzulenken und etwas Zeit zu gewinnen.
Michael brachte sein Gewehr in Anschlag und schoss ein paar größere Vögel ab, die uns zu nah kamen, doch ich ergriff sein Handgelenk und zwang ihn, die Waffe herunterzunehmen. „Keine Munition verschwenden!", rief ich ihm zu und zog ruckartig den Kopf ein, denn im selben Moment stürzte sich eine braune Eule auf mich und zog mir ihre langen Krallen durchs Gesicht. Ich zuckte vor Schmerz zusammen und wollte mir unwillkürlich an die Wange fassen, doch ich hielt an mich. Wenn ich den Arm hob, bekam ich nur noch mehr Kratzer ab.
„Mira, so kommen wir nicht weiter!", schrie Danaus.
Ich schnappte mir knurrend eine große Porzellanvase und schleuderte sie quer durch den Raum in den Vogelschwarm. Sie zersplitterte, als sie in den Kronleuchter krachte, der darauf wild hin und her zu schaukeln begann. Die Schatten zuckten in einem schaurigen Tanz über die Wände, und mehrere Vögel stürzten zu Boden.
Als der Schwärm auseinanderstob, hob ich die linke Hand und konzentrierte mich auf alles, was in der Luft umherflatterte. Die Federn fingen sofort Feuer, und ein furchtbarer Gestank breitete sich in der Halle aus. Ich tötete nur einige wenige - wobei mir lieber gewesen wäre, wenn ich es nicht hätte tun müssen -, aber es genügte, um die Plage loszuwerden. Die Raubvögel zerstreuten sich; manche flogen zur offenen Tür hinaus, während andere durchs Treppenhaus flatterten, um im zweiten Stock Zuflucht zu suchen.
Ich drehte mich gerade rechtzeitig wieder zur Tür um: Der erste Naturi rückte vor und zielte mit seiner Armbrust auf mich. Mit einer fließenden Bewegung zog ich ein Messer aus Danaus' Gürtel und warf es blitzschnell nach meinem Widersacher. Die Klinge bohrte sich in seinen Hals und köpfte ihn beinahe. Er kippte nach hinten, und der Bolzen, den er auf mich hatte abfeuern wollen, landete unter der Decke. Dann verschwand der tote Naturi vom Tierclan in der Dunkelheit vor der Haustür.
„Komm raus zum Spielen, Blutsauger!",
Weitere Kostenlose Bücher