Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Goldförderunternehmen leitete. Wir hatten bislang große Gewinne eingefahren, und nun wollte man ins Herz des Inkareichs vordringen.
Man hatte ein paar Berge in der Nähe von Machu Picchu ins Auge gefasst, aber damit wollte ich nichts zu tun haben. „Sie werden nicht erfreut sein." Charlottes sanfte Stimme riss mich aus höchst unerquicklichen Erinnerungen. „Wenn sie sich beschweren, verweisen Sie sie an mich." Charlotte blickte schweigend auf ihren Papierstoß. Zu ihrem Glück hielt die Limousine in diesem Moment vor einem Bürogebäudekomplex im Stadtzentrum an. Charlotte unterhielt Büros in Savannah und Charleston, wo sie in der Regel residierte, bis sie mich wieder einmal konsultieren musste.
Es musste frustrierend für sie sein. Sie hatte ihren eigenen Mitarbeiterstab und traf jeden Tag millionenschwere Entscheidungen. Das meiste davon war mein Geld, aber sie leitete auch ein paar andere Handelsgesellschaften, an denen ich lediglich beteiligt war. Doch trotz allem, was sie erreicht hatte, musste sie springen, wenn ich es verlangte. In der vergangenen Nacht hatte ich sie um vier Uhr morgens angerufen, während ich darauf wartete, dass Barrett zu sich kam, und sie gebeten, meine Reise zu organisieren.
Und natürlich hatte sie bis zur Morgendämmerung so gut wie alles erledigt. Ganz egal, wie weit sie es brachte und wie viel Geld sie scheffelte, sie blieb immer mein Lakai. Die zierliche Brünette mit dem rosigen Teint ordnete ihre Papiere und atmete tief durch. „Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, Ms Jones. Ich würde mir auch gern irgendwann einmal die Pyramiden ansehen." „Vielen Dank", entgegnete ich. „Ich setze mich in ein, zwei Tagen mit Ihnen in Verbindung, damit Sie die Rückreise organisieren können." Sie sah ruckartig auf. „So schnell kommen Sie wieder zurück?" „Hoffentlich. Sie hören von mir." Sie nickte und verließ beinahe fluchtartig die Limousine, als der Fahrer ihr die Tür öffnete. Mein leises Gelächter folgte ihr aus dem Wagen bis auf die Straße.
Danaus wartete, bis der Fahrer die Tür wieder geschlossen hatte, bevor er fragte: „Sie weiß es nicht?" „Nein, sie weiß nicht, was ich bin. Ihre einzige Angst ist, ihren Job zu verlieren." „Nicht ganz", erwiderte er. „Ach was?" Ich lehnte mich zurück, streckte meine Beine aus und schlug sie übereinander. Dann legte ich den Arm auf die Rückenlehne und malte mit dem Zeigefinger ein Unendlichkeitszeichen auf das weiche Leder. „Wovor hat sie denn noch Angst?" „Dass sie ihre Seele verliert."
Ich lachte und ließ meinen Kräften freien Lauf, was sich in etwa so anfühlte, als lockere man einen Muskel, nachdem man ihn lange angespannt hatte. Wenn ich mit Charlotte zusammen war, versuchte ich, meine Kräfte im Zaum zu halten. Sie konnte sie zwar als menschliches Wesen nicht spüren, aber aufgrund ihres Selbsterhaltungstriebs, den jeder Mensch besaß, schnappte sie vielleicht doch etwas auf und merkte, dass ich irgendwie anders war.
Danaus fuhr zusammen, als er von der unerwarteten Kräftewelle erfasst wurde, und seine rechte Hand zuckte. Als Jäger hätte er sich mit einem Dolch in der Hand sicherlich viel wohler gefühlt, aber vor Charlotte hatte er den Eindruck von Zivilisiertheit wahren wollen.
Als sich der Fahrer wieder hinter das Steuer setzte, nahm ich meine Kräfte rasch wieder zusammen und seufzte. Die gläserne Trennscheibe verhinderte zwar, dass er unsere Gespräche mithörte, doch für meine Kräfte war sie kein Hindernis.
Während wir den Weg durch die Stadt fortsetzten, erhaschte ich gelegentlich, wenn wir große Kreuzungen überquerten, einen Blick auf den Fluss. Seit ich am frühen Abend aufgestanden war, hatte ich das Stadtgebiet immer wieder überprüft und meine Kräfte ausgebreitet, so weit es eben ging. Bei Sonnenuntergang hatten sich alle Lykanthropen außerhalb der Stadtgrenzen auf dem Land versammelt, während sich sämtliche Nachtwandler in der Stadt aufhielten. Barrett hatte sogar vorübergehend die Öffnungszeiten seines Restaurants geändert. Es schloss nun schon vor Sonnenuntergang. Wie sehr es uns beiden auch missfiel, die Grenze war gezogen worden. Wenn die Naturi besiegt waren, konnten Barrett und ich beginnen, das Vertrauen zwischen Gestaltwechslern und Nachtwandlern wieder neu aufzubauen.
„Wir reisen nach Ägypten?" „Es sollte eigentlich eine Überraschung sein." Ich verfiel in Schweigen, um auszutesten, ob er nachhaken würde, aber er erwies sich als ein sehr geduldiges Wesen.
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