Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
doch! Bei Menschen hält eine Ehe nicht länger als ein paar Jahrzehnte, glauben Sie da im Ernst, zwei Vampire hielten es jahrhundertelang miteinander aus? Schön wär's!
Ich schluckte den Seufzer hinunter, der mir zu entfahren drohte, lächelte Michael an und strich ihm übers Haar. Als ich seine Wange berührte, ergriff er meine Hand und legte meine Finger auf seine Halsschlagader. Ich schloss die Augen und genoss ein paar Sekunden lang den Sirenengesang seines Pulses. Dann fuhr ich mit der Zunge über meine Eckzähne, und mich ergriff ein gieriges Verlangen, doch ich unterdrückte es und legte meine Hand wieder an Michaels Wange.
„Jetzt nicht, Liebling", flüsterte ich ihm zu und öffnete die Augen wieder. „Wenn wir in Assuan eintreffen, werde ich dich brauchen." Michael drückte einen Kuss in meine Handfläche und erhob sich, um nach hinten zu gehen und sich zu seinem Kollegen zu setzen. Gabriel war zwar schon seit über zehn Jahren als Bodyguard für mich tätig, doch dann und wann glomm immer noch Neid in seinen Augen auf Ich hatte in der Vergangenheit von beiden Männern getrunken, und keiner von beiden hatte sich jemals beschwert.
Danaus zog mit einem finsteren Knurren meine Aufmerksamkeit auf sich. „Ein Spender?" „Ich dachte, ich nehme ein Lunchpaket mit", entgegnete ich. „Wir brauchen fast vierundzwanzig Stunden nach Assuan, und ich will nicht geschwächt und hungrig dort eintreffen." „Sie wissen es?" „Sie haben mir beide schon oft ausgeholfen." Als ich sah, wie Danaus überrascht die Stirn runzelte, fragte ich: „Was erstaunt dich? Dass ein Mensch sich dazu bereit erklärt?" Danaus beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Du kannst dich stärken, ohne zu töten?" „Selbstverständlich." „Ich habe gedacht, ihr müsstet töten, um zu überleben."
„Wenn es so wäre, hätten wir die Menschheit schon längst ausgelöscht." Ich schüttelte den Kopf und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Ich hatte angenommen, wir hätten diesen alten Aberglauben inzwischen aus der Welt geschafft, aber in Danaus und seiner Organisation lebte er offensichtlich fort. „Nur wenige von uns töten, und wenn es passiert, handelt es sich meist um einen Unfall. In den Zeiten von DNA-Tests und Fingerabdrücken sind das Töten und die Entsorgung von Leichen schwierig geworden. Wir haben ein Geheimnis zu wahren, und so stärken wir uns mit aller gebotenen Vorsicht."
„Aber manche von euch töten immer noch, nur zum Vergnügen", erwiderte Danaus angespannt, und ich sah, wie er seine Finger in die Sitzbank krallte. „Ja, und um die kümmern wir uns." Ich hatte selbst schon zahlreiche Nachtwandler ausgeschaltet, die außer Kontrolle geraten waren. Ich sorgte zwar gern einmal für Unruhe unter den Ältesten, aber ich hütete mich, die Menschen in Aufruhr zu versetzen. Mir gefiel mein komfortabler Lebensstil.
Während ich meinen neuen Gefährten ansah, kam mir ein überraschender Gedanke. „Du hast noch nicht mit vielen Nachtwandlern gesprochen, oder?" Danaus schüttelte schnaubend den Kopf, lehnte sich zurück und legte die Hände in den Schoß. „Wozu auch? Um mir weismachen zu lassen, dass ihr keine seelenlosen Killer seid, die das Böse verbreiten, indem sie Menschen zu Vampiren machen? Nerian hatte recht - ihr seid Parasiten, die sich von Menschen ernähren und nach nichts anderem streben, als die eigenen Gelüste zu befriedigen."
Ich warf lachend den Kopf in den Nacken. „Und die Menschen? Sind sie nicht diejenigen, die sich rücksichtslos auf Kosten anderer ihre Wünsche erfüllen?" Danaus gab keine Antwort, und ich ließ das Thema erst einmal auf sich beruhen. Unterdessen war das Flugzeug gestartet. Jeden von uns beschäftigten eine Menge Fragen, aber was mich am meisten interessierte, war er selbst, und er stand mir nun viele Stunden lang zur Verfügung.
„Was bist du, Danaus?", fragte ich. Er vermied es, mich anzusehen, und richtete den Blick auf die Fenster hinter mir. „Darüber denke ich nun schon über einen Monat nach", fuhr ich fort. „Ich habe schon viele alte Kreaturen kennengelernt, aber noch nie jemanden wie dich. Du bist durch und durch menschlich - ganz erfüllt von deinem höchst menschlichen Zorn - und gleichzeitig strahlst du eine unglaubliche Macht aus. Bist du dir dessen überhaupt bewusst? Deine Kräfte sind so herrlich warm und lebendig. Und je zorniger du wirst, desto kräftiger pulsieren sie." Er sah mich immer noch nicht an, aber ich wusste, dass er mir
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