Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
der Feuerball schwebte auf ihn zu und löste sich in Luft auf. Ich sah mir meinen Widersacher genauer an. Er war gertenschlank, seine Haut war schneeweiß, und seine seidigen goldenen Locken reichten ihm bis auf die Schultern. Könnte die Sonne weinen, hätte man meinen können, er wäre aus einer ihrer Tränen entstanden. Er war vom Lichtclan. Nun wusste ich, dass es eng für mich wurde. Solange er aufrecht stand, waren meine Feuerbälle völlig nutzlos.
Dann musste er eben fallen. Ich lächelte grimmig.
„Nerian habe ich bereits umgebracht!", rief ich den Naturi zu. Der Spott in meiner Stimme war nicht zu überhören. „Eure armen Fußsoldaten haben wir auch erledigt. Ich gebe euch jetzt die Chance, mein Revier zu verlassen, solange ihr noch aufrecht gehen könnt!" Ich ließ den nächsten Feuerball in meiner Hand tanzen. Der Naturi vom Lichtclan fing ihn mühelos ab, um sich und seinen Begleiter zu schützen. „Du irrst dich, Feuermacherin! Das ist deine Chance", entgegnete er.
Seine Stimme war heiter und warm wie die Strahlen der Morgensonne. „Komm mit uns, und wir werden davon absehen, jeden einzelnen Vampir in deinem Revier zu töten!" Mein Lächeln schwand. Hell leuchtende Feuerbälle entstanden in meinen Händen, und ich schleuderte sie beide auf den Naturi vom Clan des Lichts. Mit einer lässigen Handbewegung löschte er auch diesmal das Feuer, doch damit konnte er den eisernen Leuchter nicht aufhalten, der in dem zweiten Feuerball versteckt war.
Er traf ihn mitten in die Brust, warf ihn nach hinten und bohrte sich in seinen Körper. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass er bereits tot war, als er gegen die Wand krachte.
Der zweite Naturi knurrte mich an, dann flitzte er zur Tür hinaus. Ohne Schützenhilfe von einem Mitglied des Lichtclans hatte er gegen fünfzig Nachtwandler und die Feuermacherin keine Chance. Nur so hatten die Naturi mich in der ersten Woche meiner Gefangenschaft in Schach halten können: Weil ich ständig von einem Angehörigen des Lichtclans bewacht worden war, hatte ich keinen Gebrauch von meiner Fähigkeit machen können. Und in der zweiten Woche war ich zu schwach gewesen, um auch nur eine Kerze anzuzünden.
Nachdem die Gefahr endlich gebannt war, betrat ich die Tanzfläche, um mir den Schaden zu besehen. Im Begriff, mir mit den Händen durch das verklebte Haar zu fahren, hielt ich ruckartig inne, als ich das getrocknete Blut von Nerian an meinen Fingern spürte. Vor Schmerzen und Erschöpfung und wegen des Blutverlusts zitterte ich am ganzen Körper. Doch um die anderen Nachtwandler ringsum war es noch schlimmer bestellt. Mit gehetztem Blick und verwirrter, ängstlicher Miene klammerten sich einige von ihnen aneinander oder knieten neben den Toten.
Roland und Adam hatten da, wo einmal ihre Herzen gesessen hatten, tiefe Löcher in der Brust. Ein Stück weiter lagen zwei Leichen ohne Kopf. Die vier toten Werwölfe waren übel verstümmelt und blutüberströmt. Bei ihnen stand niemand. Die Grenze war bereits gezogen, doch es war die falsche Grenze.
„Mira?" Als ich aufsah, stand Knox vor mir. Sein blaues Hemd war an mehreren Stellen aufgerissen, und an Brust und Armen waren diverse oberflächliche Wunden zu sehen, die bereits wieder heilten. „Wie viele?", fragte ich leise und richtete den Blick wieder auf die grausige Szene. „Sechs Nachtwandler und fünf Lykos, wenn Barrett . ." „Nein!", fuhr ich auf. Dann riss ich mich zusammen und senkte meine Stimme. „Nein, er wird wieder." „Warum?", fragte jemand mit brüchiger Stimme.
Ich setzte mich ruckartig in Bewegung. Meine Absätze donnerten unheilvoll über den harten Kachelboden. „Ihr wisst doch, warum sie es getan haben, oder?", fragte ich, ließ meinen Blick über die Versammelten schweifen und sah dabei jedem einzelnen Nachtwandler in die Augen. „Sie hatten keine andere Wahl! Der Naturi hat es ihnen befohlen", sagte ich und zeigte über die Schulter nach hinten. „Bestimmte Naturi haben Macht über die Lykos, die gar nicht anders können, als ihnen zu gehorchen, wenn sie in ihrer Nähe sind. Sie können nichts dafür."
„Aber wie machen wir dem ein Ende?", fragte eine weibliche, zittrige Stimme. „Indem wir die Werwölfe töten", entgegnete jemand anders kalt. Ich marschierte auf ihn zu, packte ihn am Hals und drängte ihn gegen die Trennwand zwischen zwei Nischen. „Nein! Ihr müsst die Naturi umbringen! Wenn ihr die Naturi tötet, sind die Lykos frei! Und wir auch!"
Ich ließ den Nachwandler erst los,
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