Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
„Wir fliegen mit einer kurzen Zwischenlandung in Paris nach Luxor. Von dort fahren wir mit dem Schiff den Nil hinunter nach Assuan." „Mit dem Auto geht es schneller als mit dem Schiff, oder wir hätten auch direkt nach Assuan fliegen können." „Stimmt." Ich nickte und schaute auf meine unruhigen Finger und das Unendlichkeitszeichen. „Aber du bist jetzt mit einem Vampir unterwegs, und da müssen gewisse . . Rituale eingehalten werden. Wenn ich das Revier eines Ältesten betrete, muss ich mich als Zeichen des Respekts langsam fortbewegen. Man fällt nie auf direktem Wege in das Revier eines Alten ein. Das würde als Akt der Aggression aufgefasst."
„Hast du nicht gesagt, Jabari sei tot?" Ich schaute auf und studierte Danaus, der mich aufmerksam ansah. „Dann hast du ihn also nicht getötet. Ich habe den Gerüchten ohnehin keinen Glauben geschenkt." „Ich war kurz in Ägypten, aber Jabari bin ich nie begegnet." Seine schulterlangen Haare hingen ihm ins Gesicht und warfen dunkle Schatten auf seine Augen. „Ich weiß nicht, was mich erwartet", sagte ich mit einem eleganten Achselzucken und schaute aus dem Fenster.
Wenn man als Nachtwandler ein gewisses Alter erreicht hat, sieht so gut wie jede Geste elegant aus. Das gehört gewissermaßen zur Grundausstattung. „Jabari ist verschwunden. Ich will nicht unbedingt nach ihm suchen, aber ich hoffe, dass er wertvolle Informationen zurückgelassen hat; Aufzeichnungen über das Siegel und die Triade beispielsweise. Das wäre ein Anfang.
Aber wir sollten trotzdem vorsichtig sein. Ich möchte, dass er mir gewogen ist, falls er doch noch auftaucht." „Diesem Wunsch ist meine Anwesenheit nicht gerade zuträglich." „Allerdings." Es gab keinen Grund, ihm zu verraten, dass ich vorhatte, ihn nötigenfalls an Jabari und/oder den Konvent zu übergeben, damit sie alles, was er wusste, aus ihm herausquetschen konnten. Ich hätte es lieber selbst getan, aber mir lief die Zeit davon. Mein Revier war in Gefahr.
Als ich auf meine Hände blickte, stellte ich fest, dass ich geistesabwesend mit dem silbernen Reif an meinem Ringfinger spielte. Er war ein Geschenk von einem Verflossenen mit einer wellenartigen Gravur. Das griechische Muster weckte alte, fast vergessene Erinnerungen. Danaus verfiel in Schweigen und schaute aus dem Fenster. Ich fragte mich, was in seinem Kopf vorging. Er begab sich freiwillig in die Höhle des Löwen. Warum?
Nachdem er mir die Fotos gezeigt hatte, hätte er verschwinden und die Angelegenheit den Nachtwandlern überlassen können. Aber er traute es uns wohl nicht zu, dass wir allein damit fertig werden konnten. Ich hätte gern gewusst, wieweit seine Kenntnisse reichten, doch mit jeder Frage, die ich dem Vampirjäger stellte, gewährte ich ihm einen wertvollen Einblick in meine Welt, was sich unter Umständen als tödlich erweisen konnte.
Ich beschloss, die Sache vorerst auf sich beruhen zu lassen, streckte meine Beine aus und sank gegen die Rückenlehne. Wenn ich Jabari fand, würde er sich darum kümmern. Und wenn nicht, dann musste ich Sadira suchen. Ich hatte seit jener Nacht in Machu Picchu nichts mehr mit ihr zu tun gehabt und war nicht gerade erpicht auf ein Wiedersehen. In dem Jahrhundert, das wir zusammen verbracht hatten, war unser Verhältnis alles andere als gut gewesen. Wir wollten beide die Kontrolle über mich, und nur eine von uns konnte gewinnen. Es war zu einigen hässlichen Schlachten gekommen, und manche Wunden waren selbst nach fünf Jahrhunderten noch nicht verheilt.
„Bist du den Naturi letzte Nacht begegnet?", fragte ich Danaus, weil ich nicht mehr an meine Schöpferin denken wollte. „Nein. Und du?"
Ich biss so fest die Zähne zusammen, dass mir der Kiefer wehtat. Die Zahl der Toten im Dark Room belief sich auf sieben Nachtwandler, sechs Lykanthropen und neun Menschen - gegen die lediglich zwei tote Naturi standen. Was mochte uns da erst erwarten, wenn die Naturi alle zusammen in diese Welt zurückkehrten?
„Zwei von ihnen sind ins Docks eingefallen und haben zahlreiche Leute getötet. Danach sind sie im Dark Room aufgetaucht. Mehrere Nachtwandler und Lykanthropen sind ihnen zum Opfer gefallen." „Das tut mir leid." „Ja." Überrascht von seiner ernsten Reaktion sah ich auf. „Mir auch."
Mehr redeten wir nicht auf der Fahrt zu dem kleinen Flugplatz, der eine halbe Stunde von der Stadt entfernt lag. Mein Privatjet stand vollgetankt bereit. Ich zog es vor, auf diese Weise zu reisen, denn so konnte ich vor neugierigen
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