Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
während wir warteten, was Jabari zu verkünden hatte.
„Töte sie, Jabari", befahl Macaire. Er umklammerte die Armlehne fest, und ein Zittern durchlief seine Arme. Es hielt ihn kaum noch auf dem Thron. Ein Furcht einflößendes grünes Licht glühte in seinen Augen und durchbohrte mich durch die züngelnden Flammen hindurch.
Jabari stieß heiser ein leises Lachen hervor, und ein kaltes Lächeln kroch über seine hageren, harten Gesichtszüge. Ich hatte diesen Gesichtsausdruck schon einmal gesehen. Die warme, mitfühlende Maske war schon in der Themis-Zentrale aufgefallen, als er mir eröffnet hatte, dass ich die Waffe war, mit der er die Triade die Naturi aufhalten wollte. Wenigstens galt sein eisiger Spott diesmal Macaire und nicht mir.
„Du hast schon vom Moment ihrer Wiedergeburt an nach ihrem Tod geschrien."
Jabaris Worte krochen mir wie eine Giftschlange in die Ohren und durch die Gehirnwindungen, bis mein erschöpfter Körper unwillkürlich erschauderte. Er war in unsere Sprache verfallen, die erste Sprache der Nachtwandler, die in unserem eigenen Blut geschrieben wurde. Man konnte sie nicht lernen. Bei der Wiedergeburt konnte jeder Vampir sich fließend darin verständigen und fürchtete sich vor ihr. Keiner sprach sie ohne guten Grund.
Vermutlich hatte Jabari etwas zu verkünden, das die Naturi nicht verstehen sollten. „Wenn du ihren Tod willst, musst du dir schon selbst die Hände schmutzig machen, denn ich bin noch nicht fertig mit ihr", fuhr Jabari fort und lehnte sich geschmeidig in seinen Thron zurück. „Aber denk an das Blutbad der letzten Nacht. Sie hat ihre ganz eigenen Fähigkeiten. Und ihr zur Seite steht ein Jäger, der in der Jagd auf unseresgleichen erfahren ist." „Das klingt, als hättest du Angst, sie anzugreifen", höhnte Macaire ebenfalls in jener Sprache. Sie ging ihm nicht mit der gleichen Eleganz von der Zunge, und ich fragte mich, ob es daran lag, dass er sich vor mir und Jabari fürchtete.
„Nein." Und mehr hatte er dazu nicht zu sagen. Jabari konnte mich vernichten, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen, das wussten wir alle. Es gab keine Furcht und kein Zögern. Er würde mich töten, sobald er mich nicht mehr brauchte.
„Aber sie will dir deinen Gespielen abspenstig machen", sagte Macaire. Die Verzweiflung, die aus jedem seiner Worte sprach, war nicht zu überhören. Er konnte Jabari zu nichts überreden, was der nicht wollte. Wenn Macaire meinen Tod wünschte, würde er sich schon selbst darum kümmern müssen. „Ich hätte ihn ohnehin verloren, egal wie diese Sache ausgegangen wäre", sagte Jabari mit einem gleichgültigen Achselzucken. Er hatte Nicolai auf mich angesetzt, wohl wissend, dass ich ihn entweder töten oder für mich beanspruchen würde. Ich verfluchte Jabari. Nachdem er fast ein Jahrhundert mit mir zusammengelebt hatte, kannte er mich einfach viel zu gut.
Auf einen Wink von ihm wurde eine der Türen aufgestoßen und fiel krachend gegen die Wand. Nicolai betrat den Raum und erfasste alle anwesenden Parteien mit einem Blick. Der schöne Werwolf war auf der Hut, aber die Erschöpfung forderte langsam ihren Preis. Unter den braunen Augen mit dem Kupferschimmer lagen dunkle Ringe, und ein Bartschatten bedeckte Kinn und Wangen. Er blieb vor dem Podest nicht weit von Jabari entfernt stehen und gab sich Mühe, ausdruckslos geradeaus zu starren. Allerdings konnte er die Harpyien über uns wohl entweder sehen oder spüren, denn sein Blick wanderte immer wieder zu den dunklen Schatten unter der Decke empor.
Das sanfte Tröpfeln des Blutes von einer der Harpyien auf dem Marmorboden war das einzige Geräusch. Nicolais und Danaus' Herzschlag dröhnte in meinem Kopf, als ich plötzlich wachsenden Hunger verspürte. Mein Kampf mit Jabari und den anderen Nachtwandlern in den letzten beiden Nächten hatte mir zu viel abverlangt, und ich musste mich kräftigen.
Zögernd löschte ich die letzte Flamme, blieb aber auf dem Boden knien und sparte mir einen Rest Energie auf, um diesem Albtraum im Notfall entfliehen zu können. „Wenn du ihn beschützen kannst, sollst du ihn haben", gestattete Jabari. Der herablassende Tonfall war nicht zu überhören. Es war mir schon nicht gelungen, Tristan zu beschützen, und er glaubte offensichtlich nicht, dass ich auf Nicolai aufpassen könnte, wenn der Älteste ihn tatsächlich angreifen würde.
Ich rappelte mich auf und stellte überrascht fest, dass ich nicht schwankte, als ich erst mal wieder stand, obwohl meine Gedanken
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