Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
ist das einzige Dasein, das mir zukommt." Er seufzte und runzelte dann die Stirn, als wäre er von mir enttäuscht. „Wie auch immer, mich loszuwerden wird deine Probleme nicht lösen." Mir fiel auf, dass sein Blick, während er sprach, zu der Mauer hinter meiner Schulter zurückwanderte. Zum Konvent und der Naturi im Thronsaal.
„Das vielleicht nicht, aber es wäre immerhin ein guter Anfang", gab ich zu. „Natürlich glaube ich so langsam, dass ich mit der Frau auf der Insel anfangen sollte, zu der du immer wieder hinüberstarrst. Eine Freundin von dir? Oder vielleicht wärmt sie dir nachts das Bett, jetzt, wo das Frauchen auf der anderen Seite feststeckt."
Das Knurren, das aus Rowes Kehle drang, war eindeutig. Das Geplänkel, mit dem wir uns vorher aufgehalten hatten, war jetzt vorbei, und es war an der Zeit, Ernst zu machen. Ich hoffte nur, dass ich die nächsten Minuten überleben würde. Während ich beruhigt davon ausgehen konnte, dass sein Tod das Ende der Versuche der Naturi wäre, das Siegel zu brechen, würde mein Tod außerdem verhindern, dass die Nachtwandler das Siegel jemals erneuerten oder das Tor aufs Neue schließen konnten, wenn die Naturi tatsächlich Erfolg hätten.
„Du weißt von ihr?", fragte er, woraufhin mein Grinsen noch breiter wurde. Rowe machte ein paar Schritte auf mich zu, und ich antwortete ihm, indem ich mich zurückzog. Die Luft schien vor Energie zu knistern. Der Wind nahm zu und ließ die Bäume wild schwanken. Ich riskierte einen Blick in den Nachthimmel und sah die Wolken wallen und brodeln wie in einem Hexenkessel.
Die Sterne waren von der Schwärze verschluckt, und ein langer rollender Donner grollte in der Ferne. „Ich kann sie auf der Insel spüren, aber ich kann sie nicht erreichen", gestand er, und es war überaus beruhigend zu erfahren, dass die Naturi wenigstens unsere Schutzschilde nicht durchbrechen konnten. „Nachtwandler beherrschen diese Insel." „Venedig gehört uns", sagte ich. „Es gehört uns seit Jahr hunderten und wird auch weiterhin uns gehören. Bist du überrascht, dass es Orte auf dieser Welt gibt, die dir verschlossen bleiben?" Wenn ich Rowe so reizte, spielte ich mit dem Feuer, aber mit dem Feuer spielen war ja schließlich das, was ich am besten konnte.
„Wen haltet ihr auf dieser Insel fest?", wollte er wissen, und schenkte meinen Worten keine Beachtung. „Sie ist eine Gefangene!" Irgendetwas in seiner Stimme ließ mich innehalten. Ein kurzes Zögern oder eine atemlose Pause, die kaum zu bemerken gewesen war. Er hatte es wie eine Feststellung klingen lassen wollen, aber das war ihm nicht ganz geglückt. Nicht nur, dass er sich unsicher war, wer genau sich auf der Insel aufhielt, er hatte auch keine Ahnung, ob sie wirklich eine Geisel war.
„Das ist mal eine interessante Frage", sagte ich langsam. „Leider bist du der einzige lebende Naturi, den ich kenne. Alle anderen sterben für gewöhnlich schnell, wenn sie mich treffen."
Wieder grollte der Donner, lauter jetzt, als das Gewitter näher kam. Rowe knurrte, als sein Arm in den Himmel schoss. Kaum eine Sekunde später sauste ein Blitz zu Boden und schlug weniger als einen Meter von mir entfernt ein. Ich sprang zurück und rollte mich auf dem Boden ab, bevor ich wieder auf die Füße sprang. Die Luft summte noch vor Elektrizität, und der Geruch nach verbranntem Ozon erfüllte die Umgebung.
Rowes Hand zitterte leicht, als er sie wieder sinken ließ.
Sein angespannter Gesichtsausdruck war nicht zu übersehen, als er mich beobachtete. Ich bekam einen erstklassigen Eindruck von den Kräften der Wind-Naturi. Sie konnten nicht nur fliegen, sondern beherrschten anscheinend auch noch das Wetter. Ich würde niemals einen Blitzschlag überleben, und ich wusste, dass er mich zu töten vermochte, bevor ich ihn in Brand stecken konnte.
„Hm", machte ich höhnisch, während ich verzweifelt versuchte, meine wachsende Angst hinter Sarkasmus zu verbergen. „Mich umzubringen mag ja ein paar von deinen Problemen lösen, aber es hilft dir nicht, herauszufinden, wer die kleine Naturi ist, die sich auf der Insel versteckt." „Versteckt? Was meinst du mit .versteckt'?"
Ich lachte ihn an, ließ den Laut aber verstummen, als Rowe langsam abermals den Arm hob. Blitze zuckten zwischen den jagenden Wolken und erleuchteten jede der schwarzen Riesinnen für Sekundenbruchteile, bevor alles wieder in Dunkelheit versank. Zähneknirschend unternahm ich ein verzweifeltes Manöver. Ich lief geradewegs auf Rowe zu.
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