Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
glaube ich, größere Sorgen. Jetzt geh nach unten und iss erst mal. Ich muss nach Gabriel und Mira sehen.«
Lily sah immer noch besorgt aus, als sie vom Bett hüpfte und die Treppe hinunter in die Küche polterte. Ich ging ihr etwas gemächlicher nach und versuchte, nicht zu viel über ihre Fragen nachzudenken. Wie sollte es weitergehen, wenn diese Geschichte ausgestanden war? Bei meinen früheren Begegnungen mit Mira hatte ich nie Zeit gehabt, mir über so was Gedanken zu machen. Es war nie ganz klar gewesen, ob es überhaupt ein Morgen geben würde, daher war für solche Überlegungen kein Platz gewesen.
Ich war mir nicht sicher, was ich tun sollte. Ich wusste, dass meine Zeit bei Themis vorbei war. Jahrelang hatte ich Ryan dabei zugesehen, wie er Menschen ausnutzte und zerstörte, und hatte nie etwas dagegen getan. Aber jetzt konnte ich nicht mehr einfach wegsehen. Es war Zeit für etwas Neues.
Außerdem hatte ich den Eindruck, dass ich bei Themis auch keineswegs so viel über Nachtwandler gelernt hatte, wie ich geglaubt hatte. Ich hatte schon während der kurzen Zusammenarbeit mit Mira einsehen müssen, dass ich in mancherlei Hinsicht falschgelegen hatte, und zwar in wichtigen Punkten, die über Leben und Tod eines Wesens entscheiden konnten. Mein Platz war jetzt anderswo. Ich hatte mehrere Jahrhunderte bei Themis verbracht, länger als je zuvor an einem einzigen Ort. Schon vor Ryans Auftauchen war ich Teil dieser Organisation gewesen, und jetzt spürte ich deutlich, dass es an der Zeit war zu gehen. Ich wusste nur noch nicht, wohin ich mich als Nächstes wenden sollte.
Ich folgte Lily die Treppe hinunter und schlenderte in die Küche, wo ich Gabriel, Lily und Matsui einträchtig am Tisch fand. Die Teenagerin hatte bereits ein halbes Stück Pizza verdrückt, während sie Matsui mit Fragen über japanische Vampire bombardierte. Gabriel lehnte sich in seinen Stuhl zurück und sah noch ziemlich fit aus, wenn auch etwas blasser als vorhin.
»Sie wartet unten auf dich«, sagte Gabriel, als ich in die Küche kam. »Die Tür ist in der Eingangshalle unter der Treppe.«
»Passt morgen auf Lily au f ! Besorgt ihr was zu essen!«, befahl ich und langte über sie hinweg nach einem Stück Pizza.
»Ihr wird nichts geschehen«, sagte Gabriel und lächelte schwach.
»Du fragst Tristan um Erlaubnis, bevor du dich wieder an seinen Computer setzt, und dass du mir morgen keinen Blödsinn machst«, sagte ich kauend. Ich tätschelte Lily den Kopf, bis sie mich ansah.
»Geht klar«, sagte sie lächelnd. »Bis morgen Abend dann.«
Ich nickte und schnappte mir ein zweites Stück Pizza, bevor ich mich auf die Suche nach Mira machte. Es war nicht die tollste Pizza aller Zeiten, aber obwohl die Kruste ein bisschen labbrig und nicht genug Käse drauf war, konnte ich mir in diesem Moment nichts Besseres vorstellen. Genau wie Schlaf waren Mahlzeiten etwas, für das ich nur zwischen Katastrophen Zeit fand. Heute früh hatte ich es geschafft, mit Lily sowohl Frühstück als auch Mittagessen einzuschieben, weil ich wusste, dass sie Nahrung brauchte – außerdem schien es ein einfacher Weg zu sein, ein bisschen besser an sie ranzukommen und etwas über Abigails Mörder rauszukriegen. Aber nach Sonnenuntergang war ich leider nur noch mit Mira unterwegs, und die füllte jeden Raum, den sie betrat, mit ihrer Präsenz und ließ keinen Platz für andere Gedanken oder Handlungen.
Unten sah es nach Partyraum aus. Es gab eine gut gefüllte Bar, und mitten im Zimmer stand ein Billardtisch. Ein riesiger Flachbildschirm nahm eine Wand ein. Gegenüber befand sich eine Doppeltür, die aussah, als könnte sie in ein Badezimmer oder einen Abstellraum führen. Einer der Türflügel stand allerdings offen und gab den Blick auf ein etwas karges Schlafzimmer frei. An der einen Seite stand ein Stuhl, an der Rückwand ein ausladendes Bett.
Darauf saß Mira und lehnte sich gegen die Betonwand. Sie hatte das rechte Bein angewinkelt und stützte den linken Arm darauf, sodass sie den Kopf in die Hand legen konnte. Die Nachtwandlerin sah erschöpft aus, als holte sie die Müdigkeit doch langsam ein.
»Hast du Gabriel gesehen?«, fragte sie leise. »Ist er okay?«
»Es geht ihm gut«, beruhigte ich sie. Vor Erleichterung sackte sie noch etwas mehr in sich zusammen. »Sah ja nicht so aus, als hättest du viel getrunken.«
»Kam mir auch nicht so vor, aber nach der Geschichte mit Tristan traue ich mir einfach selbst nicht mehr so ganz über den Weg … «,
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