Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
unnachgiebigen Strich aufeinander und knirschte mit den Zähnen. Äußerlich war sie ganz kalte Wut und unversöhnlicher Hass, aber ich spürte deutlich die Furcht, die sich darunter verbarg. Ich streckte die Hand aus und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die vor ihr Auge gefallen war. Dann ließ ich die Finger über ihre kühle Wange wandern und barg ihr Gesicht in meiner Hand. Einen Moment lang tat es mir um jede verpasste Gelegenheit leid, bei der ich sie hätte küssen können. Ich wollte sie anflehen, von hier zu verschwinden. Ich wollte sie bitten, sich in ein Flugzeug zu setzen und so weit wie irgend möglich von mir wegzufliegen, aber meine Kehle war wie zugeschnürt und ich brachte keinen Ton heraus.
Zu meiner Überraschung lächelte Mira mich an, bevor sie einen Kuss auf die Innenseite meiner Hand drückte. »Ich bin aus freien Stücken hier. Hier gehöre ich hin«, sagte sie. Das hätte mich nicht überraschen dürfen. Wenn wir einander nahe waren, spukten wir unablässig durch den Kopf des anderen.
Ich fasste ihr Gesicht fester und wollte sie gerade an mich ziehen, als das Geräusch herannahender Schritte von den hohen Steinmauern der uns umgebenden Häuser hallte. Nach kurzem Zögern ließ ich sie los und senkte die Hände. Mira legte mir die Hände auf die Wangen und zog mich an sich. Dann presste sie die kühlen Lippen auf meine und schenkte mir einen Kuss, bei dem mir buchstäblich schwindelig wurde. Doch die Berührung war genauso schnell vorüber, wie sie gekommen war, und sie löste sich wieder von mir, um sich dem Neuankömmling zuzuwenden.
Mira atmete erleichtert auf, runzelte aber immer noch die Stirn, als sie erkannte, wer da zu uns stieß. Ich drehte mich um und erblickte Emma Rose, die junge Frau, die am Schalter der Kutschentour arbeitete. Sie kam die Anhöhe hinauf und bog in die breite Seitenstraße ein.
»Emma, du musst hier verschwinden«, verkündete Mira. Die Nachtwandlerin wollte sich an mir vorbeidrängen, aber ich packte sie am linken Ellbogen und riss sie hastig zurück. Irgendetwas stimmte hier nicht. Woher hätte Emma Rose wissen sollen, dass Mira hier oben war? Die Nachtwandlerin hätte ihrer Freundin ganz bestimmt nicht verraten, wo sie sich mit einem gefährlichen Bori treffen wollte.
»Was soll denn das?«, entrüstete sich Mira und versuchte, ihren Arm freizubekommen, doch ich ließ nicht los.
Ich tastete die Umgebung mit meinen Kräften ab und spürte dieselbe Energie wie schon letzte Nacht bei LaVina.
Als Emma Rose um die Ecke bog und in den Schatten eines Gebäudes trat, wurde das schwache rote Glühen in ihren Augen sichtbar, während ein fratzenhaftes Grinsen über ihre attraktiven Züge huschte. Gaizka war in Emma Rose’ Körper gefahren.
»Nein!«, schrie Mira und riss sich los. Sie stürzte ein paar Schritte voran, bevor ich sie wieder erwischte und sie davon abhielt, die Kreatur anzugreifen, die ihre Freundin in ihren Klauen hielt. »Lass sie los!«, rief Mira erstickt, ließ sich nun aber widerstandslos von mir festhalten.
»Oder was?«, gluckste eine vage vertraute Stimme, in der sich die sanfte Emma Rose mit Gaizkas Krächzen mischte. »Willst du mich etwa mit Feuer und Flamme aus ihr vertreiben?«
Ich zerrte Mira ein paar Meter zurück, tiefer in die Schatten von Factors Walk. Gaizka folgte uns und umging das Gebäude, um nicht von zufälligen Beobachtern entdeckt zu werden. Der Bori blieb vor dem Hauseingang stehen, der zu Abigail Bradfords Wohnung führte. Er legte die Hand an die Tür und sah grinsend zu uns herüber. »Ach, das waren noch Zeiten!«, schnurrte Gaizka mit Emma Rose’ Stimme. »Hier hat alles angefangen.«
»Wie hast du das gemacht?«, fragte ich und deutete mit den Augen auf Emma Rose.
»Mit ihr?«, fragte Gaizka und streckte Emmas Arme aus, als probierte sie ein neues Kleid an. »Sie ist ein braves Mädchen. Als ihr beim Beten ein Engel erschien, hat sie keinen Augenblick gezögert, meiner Bitte um Hilfe zu entsprechen.« Während der Bori sprach, reckten sich weiße, schimmernde Flügel aus Emma Rose’ Rücken, und ein leuchtender Schein umhüllte sie. Doch das Trugbild verschwand genauso schnell, wie es gekommen war, als hätte der Bori nicht mehr die Kraft, es lang aufrechtzuerhalten.
»Emmy ist eine gläubige Katholikin«, sagte Mira entsetzt. »Sie hätte nie daran gezweifelt … «
»Jammerschade«, murmelte Gaizka. »Allerdings muss ich zugeben, dass es nicht ganz so gelaufen ist, wie ich gehofft hatte. Ich
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