Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
Augen.
Silvester schwieg achtungsvoll, und als sie wieder blinzelte, war er fort.
Die Sonne war allerdings auch ein ganzes Stück weiter gewandert.
Der April war launisch, hier genau wie in Trefélin, stellte Majestät am nächsten Morgen unwirsch fest. Regen tropfte durch das spärliche Laubdach ihres Holunderbusches und netzte ihr Fell. Ätzend!
Kurz erwog sie, in dem Dolmen Unterschlupf zu suchen, aber das würde beständige Wachsamkeit erfordern. Ohne ihr Ankh fühlte sie sich nicht sicher genug. Missmutig machte sie sich auf die Suche nach einer trockeneren Stelle, aber noch waren die Blätter der Büsche und Bäume zu klein, um ein verlässliches Regendach zu bilden, wie es ihre heimischen Lauben taten. Sie trottete schlecht gelaunt einen ausgefahrenen Weg entlang, fand eine Hütte, die die Menschen zu ihrem eigenen Schutz aufgestellt hatten, und rollte sich hier eine Weile unter einer Bank zusammen. Geweckt wurde sie, als sie das Stapfen des Pferdes hörte. Der Förster war auf seinem Rundritt.
Majestät verspürte einen Anfall kätzischer Neugier. Wäre es nicht ein netter Zeitvertreib, diesen Menschen etwas näher kennenzulernen?
Sie schlich also hinter ihm her, sorgfältig darauf bedacht, nicht gesehen zu werden.
Sehr weit musste sie nicht laufen. Er bewohnte ein großes Haus mit etlichen Anbauten in einer Lichtung. Ställe für Pferd und Fahrzeuge gab es da, einen Schuppen für Werkzeuge und Vorräte, einen Garten mit Obstbäumen und Kräutern, eine Terrasse mit Tisch und Bänken. Sehr wohnlich. Geradezu katzengerecht.
Der Mann führte das Pferd in den Stall, und Majestät stromerte über das Areal. An der Haustür blieb sie stehen, sog die Luft ein, und ihre Schnurrhaare begannen zu vibrieren.
Sehr interessant hier, stellte sie fest.
Geradezu ungewöhnlich interessant.
Sicher war es wert, die Bekanntschaft mit diesem Förster zu vertiefen.
Wie würde er auf sie reagieren?
Sie beschloss, sich ihm zu zeigen. Er kam über den Hof, bemerkte sie auch sofort und hielt in seinen Schritten inne.
»Na, Kleine, hast du dich verlaufen?«
Man musste ihm wohl die unziemliche Anrede nachsehen.
Majestät blieb also sitzen und starrte ihn an. Er ging in die Knie und streckte seine Hand langsam aus, Handrücken zu ihr gewandt.
Sie beschnupperte die Finger.
Pferd, Harz, Leder, Mensch.
»Hungrig?«
Wenn du so fragst …
Gut, er würde nur ein Maunzen hören, aber die Frage war augenscheinlich nicht rhetorisch gemeint. Eine kurze Zeit später stand ein Napf mit ziemlich gut riechendem Futter auf der untersten Treppenstufe.
Majestät haute rein.
Und hätte sich gleich darauf verfluchen können, denn zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage wurde sie unter Stoff begraben. Und dann in einen Korb gesteckt.
Da half kein Zappeln, Kratzen, Beißen und Schreien.
»Tut mir leid, Kleine, aber es ist für dich besser, wenn ich dich ins Tierheim bringe. Da finden dich deine Leute eher als bei mir hier draußen.«
Rattenkacke!
Und übermorgen war Silbermond.
Geradezu kosmische Rattenkacke!
8. Suchtrupp
Zufrieden sah sich Nefer um – der Übergang war problemlos vonstattengegangen. Im weißen Mondlicht lag die stille Lichtung vor ihm, und unter seinen Pfoten federte das weiche Gras. Die Perspektive war wie üblich zunächst etwas irritierend. Seine gewöhnliche Größe hatte er verändern müssen, er war nur noch ein Viertel seiner Selbst, was Länge und Höhe anbelangte. Aber das war nun mal notwendig, wenn man sich in der Welt der Menschen bewegte. Sie würden in kreischende Panik ausbrechen, sollte er in seiner wahren Gestalt erscheinen. Und Menschen in Panik konnten gefährlich werden.
Er drehte sich um, um seine Begleiter zusammenzurufen.
Und erstarrte.
»Seid ihr wahnsinnig geworden?«, keuchte er, als er zu den drei nackten Männern aufschaute, die kichernd versuchten, auf die Hinterbeine zu kommen.
»Hey, wir sollen doch Menschel spielen!«
»Ihr solltet als Hauskatzen hier erscheinen«, fauchte Nefer. »Nicht als Zweibeiner.«
»Huch, guck mal, ist der niedlich!«
Sem hatte es geschafft, aufrecht zu stehen und hielt sich vor Lachen an dem Dolmen fest.
»Oh, unser Nefer ein Schmusekätzchen. Wie putzig, der Süße!«
Scratsch!
»Autsch!«
Scratsch!
»Mann, hör auf, Nefer. Ich hab doch kein Fell mehr an.«
»Ist das meine Schuld, du Pfeife?«
»Du hast gesagt, wir müssen uns an die Menschen anpassen!«
»Ja, von unserer Größe her«, knurrte Nefer. »Wir erscheinen ihnen als
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