Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
plötzlich seichte Langweiler, eifersüchtige Warmduscher, egomanische Stoffel, weil sie ihren eigenen Interessen nachgingen, nicht ständig anbetend zu ihren Füßen lagen oder eben ständig anbetend zu ihren Füßen lagen.
Mit keinem dieser Hohleier hatte Finn bisher auch nur einen vernünftigen Satz gewechselt. Mutter hielt ihn tunlichst fern von ihnen. Ein linkischer Heranwachsender war kein Aushängeschild für eine Karrierefrau.
Er verstand es nicht, warum sie immer auf diese Gestalten zurückgriff, die so ein testosterongesteuertes Machogetue an den Tag legten, denn auf der anderen Seite sollten die Männer in ihren Augen auch ihre Wäsche selbst machen, den Müll entsorgen, ein vernünftiges Essen kochen können und immer gepflegt aussehen.
Außerdem einen akademischen Grad haben, wenn möglich. Und zwar einen, der zu einem Beruf führte, bei dem man sich nicht die Finger beschmutzte. Seine Mutter lag ihm nun schon seit Monaten damit in den Ohren, dass er Jura studieren sollte.
Wollte er aber nicht.
Hatte er nicht gerade eben erst das Abitur gemacht? War das Zeugnis eigentlich nicht wirklich schlecht? Hatte sie ihn dafür vielleicht gelobt?
Aus seiner Düsterkeit riss ihn das Klingeln seines Handys.
Okay, ja, er hätte es fast vergessen.
»Ja, Mutter, ich gehe zur Beerdigung.«
»Ja, Mutter, ich ziehe etwas Ordentliches an.«
»Nein, Mutter, ich vergesse nicht, die Karte zu unterschreiben.«
Er rollte sich vom Bett und musterte seine Habseligkeiten. Schwarze Jeans, weißes Hemd und – nein! – keine Krawatte. Gut, schwarzer Pullover darüber.
Immerhin, es war Felis Oma, die gestorben war, und Feli zuliebe würde er sich auch mal angepasst anziehen. Sie war sicher unheimlich traurig. Sie hatte ihre Großmutter sehr gern gehabt, das hatte er gemerkt. Vor zwei Jahren war Feli ins Nachbarhaus eingezogen, um bei Gesa Alderson zu wohnen. Ihre Eltern waren Techniker oder so was und hatten einen Auftrag in China angenommen – irgendwas mit Klimaschutz, hatte er gehört. War aber auch egal. Feli war es, die von Anfang an seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Sie war eine Klasse unter ihm an derselben Schule, und hin und wieder hatte er sie auf dem Hin- oder Rückweg auf dem Roller mitgenommen. Und seine Schwester Kristin hatte sich mit ihr angefreundet.
Mit ihr verstand Feli sich gut, ihn übersah sie meistens.
Wie die meisten Mädchen.
Aber sie war – na ja – eigentlich ziemlich hübsch. Auch wenn sie sich nie so aufstrapste wie Kristin. Sie war eher so ein Jeans- und T-Shirt-Typ. Aber sie hatte so einen süßen Leberfleck links über ihrer Lippe, und ihre Augen waren richtig grün. Trotzdem – sie konnte mit ihnen so völlig desinteressiert durch einen durchschauen.
Andererseits war sie schon an Männern interessiert. Sie hatte mal einen Freund gehabt, einen Motorradfahrer, angeblich Trainer in einem Tanzstudio.
Finn konnte nicht tanzen.
Besser, er wollte nicht.
Seine Mutter hätte es nämlich gerne gesehen.
Er zog sich Socken und Schuhe an und warf einen Blick aus dem Fenster. Ja, nebenan machte man sich auch auf den Weg. Felis Eltern waren am Tag zuvor aus China eingetroffen. Er erhaschte einen kurzen Blick auf Feli und sah, dass sie im Gegensatz zu den Erwachsenen offensichtlich auch etwas rebelliert hatte. Statt schwarzer Trauerkleider trug sie rote Hosen und ein weißes Shirt, auf das ein großes schwarz-silbernes Ankh gedruckt war.
Das wiederum erinnerte Finn an den kleinen Anhänger, den er gefunden hatte.
Er hatte nicht so genau gewusst, was es sein konnte, aber eine halbe Stunde googeln, und er fand heraus, dass es ein altes ägyptisches Kreuz darstellte, das für das ewige Leben stand.
Vielleicht war das gar nicht so eine abwegige Idee, das bei der Beerdigung zu tragen.
Er holte das Lederband mit dem Anhänger aus der Schublade und steckte beides ein.
Manchmal ergab sich ja etwas.
7. Majestät in der Falle
Majestät hatte die Umgebung des Dolmens etwas genauer erkundet, etliche wohlschmeckende Mäuse verzehrt und sich im trockenen Laub unter einem Holunderbusch einen Ruheplatz zurechtgetretelt. Es war ein recht angenehmer Ort, um auf Hilfe zu warten. Der Wald war zwar nicht ganz so ruhig, wie sie es aus ihrem eigenen Reich gewöhnt war, aber immer noch besser, als sich in einer der Menschenansiedlungen aufhalten zu müssen.
Nicht, dass Majestät etwas gegen Menschen hatte. Im Gegenteil, sie vertrat die durchaus nicht unwidersprochene Meinung, dass diese Geschöpfe mit
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