Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
aber der ist neugierig. Darfst du schon gar nicht wissen, verstehst du?«
»Ich kann mir die Augen verbinden.«
»Brauchst du. Aber muss Ohrring raus und Ankh ab. Darfst du nichts hören, was ich sage, ne? Und musst du ganz still sein. Kein Laut. Wenn du in das Land kommst, nichts sagen, nicht schreien oder rufen, ne?«
»Gut. Was passiert sonst?«
»Weckst du die Löwenköpfige. Wird dich zerfleischen. Mag Menschen nicht.«
Feli schluckte. Es war alles nur entsetzlich, und sie hoffte zutiefst, dass ihr auch nicht der kleinste Schreckenslaut entfahren würde.
»Treffen wir Wächter, Feli. Was Imhotep Monster genannt hat. Sind aber Wächter. Sie tragen dich über den Sumpf – vielleicht.«
»Und wenn nicht?«
»Weiß nicht.«
Etwas in Che-Nupets Stimme sagte Feli, dass ihre Freundin es diesmal wirklich nicht wusste.
»Du kommst nicht mit?«
»Darf nicht. Musst du alleine gehen.«
Feli drückte sich die Fäuste auf den schmerzenden Magen, aber dann sah sie wieder Finn vor sich, der sich in unsäglichen Schmerzen wand, und nickte.
»Ich gehe.«
»Gut. Wenn ich zeige, legst du beides auf den Boden. Dann verneigst du dich. Dann warten und folgen. Bitte.«
»Natürlich.«
Nefer hockte neben Finn, der allmählich wieder zu sich kam. Er schnurrte, hoffte, dass sein Freund es hören würde. Doch der war so umfangen von seinen Horrorvisionen, dass ihn nichts mehr erreichte. Jetzt begann er wieder zu keuchen, und schwärende Wunden bildeten sich an seinem ganzen Körper. Immer wieder versuchte er, sie sich aufzukratzen. Blut und Eiter verklebten schon sein Fell.
Nefer fühlte sich so erbärmlich hilflos. Aber immer, wenn er versuchte, Finn zu berühren, schlug der wie von Sinnen um sich. Dann begann er zu husten und zu spucken, zu keuchen und zu würgen, und schließlich kreischte er heiser wie im Todeskampf.
»Finn! Finn, hör mich doch!«
Finns Augen waren vollkommen verdreht.
Er rollte sich auf den Rücken und streckte die Pfoten aus und schlug um sich.
»Finn, nicht!« Trotz der Warnung, ihn nicht zu berühren, schubste Nefer ihn an. Er schien nichts mehr zu fühlen.
Kaltes Entsetzen kroch Nefers Rücken hinauf.
Wie lange würde es dauern, bis Feli mit dem Heldenwasser zurückkehrte? Würde sie es überhaupt erhalten? Er wusste wenig über das Land unter dem Jägermond. Das Wissen darum war den Hochgraden vorbehalten, jenen, die ihre letzte Herausforderung annahmen, um den einen, unsagbar kostbaren Tropfen dessen zu sich zu nehmen, der als Destillat aus dem Schwarzen Sumpf dort austrat.
Die schwärenden Wunden in Nefers Fell heilten nicht, sie bedeckten jetzt seine Pfoten. Und die Ballen bluteten, die Beine schwollen an.
Er musste grauenhafte Schmerzen erleiden.
Es war seine Aufgabe, ihn, wenn nötig, davon zu befreien.
Nefers ganzes Fell sträubte sich vor Entsetzen bei dem Gedanken.
»Halt durch, Finn. Du musst einfach durchhalten.«
Feli hatte Ohrring und Ankh abgenommen und trotteten neben Che-Nupet auf dem schmalen Pfad entlang. Durch den Nebel erkannte sie kurz darauf ein hohes Portal, ähnlich dem, das zu den Goldenen Steppen führte. Auch hier saßen auf den beiden Säulen rechts und links Sphingen. Sie blinzelte. Einmal, dann zweimal. Dann atmete sie heftig aus.
Die waren nicht aus Stein.
Die waren echt.
»Heiliger Sphinx«, murmelte sie.
Che-Nupet trat vor und legte sich lang ausgestreckt nieder. Feli kniete sich neben sie und legte auf ihr Pfotenzucken Ohrring und Ankh vor sich. Dann verneigte sie sich und blieb in gebeugter Stellung. Mochte ihre Freundin diese Geschöpfe Wächter nennen – sie gingen auch ganz gut als Monster durch.
Die Löwenkrallen der beiden Sphingen waren gewaltig.
Einer der geflügelten Männer sagte etwas zu Che-Nupet, und sie antwortete. Nicht mit Maunzen, sondern in einer anderen Art von Sprache. Es schien eine komplizierte Verhandlung zu sein, denn sie zog sich in die Länge. Es schien, dass sich der Sphinx weigerte, ihrer Bitte nachzukommen. Doch schließlich nickte er, und zu Felis maßlosem Entsetzen sprang er von seiner Säule und kam direkt auf sie zu.
Sie hatte versprochen zu schweigen.
Aber ein kleiner gewürgter Laut drängte sich aus ihrer Kehle.
Che-Nupet drückte sie auf den Boden und schnurrte sie an.
Reglos blieb sie liegen. Sie hatte ihr Vertrauen versprochen, aber angesichts der Tatzen vor ihren Augen fiel ihr das wahrlich schwer. Sollte sie als Opfer dienen?
Der Sphinx stellte sich jetzt über sie, dann fühlte sie, wie seine
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