Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
dir in den Grauen Wäldern herunterfällt?«
Eine Vorstellung, die er lieber nicht näher in Betracht ziehen wollte. Es hatte auf dem Hinweg eine seltsam bedrohliche Stimmung geherrscht, und Mafeds Schilderung der Namenlosen, die sich gegenseitig umbrachten, sollte man nicht außer Acht lassen. Kam dazu, dass er den ersten Teil der Wanderung in seiner kleinen Gestalt vornehmen musste. Erst kurz vor dem Übergang erfolgte die Anpassung.
Er putzte vehement seinen Schwanz.
»Kristin hat gesagt, ihr Bruder meldet sich seit Tagen nicht mehr, Nefer.«
»Was?«
»Er geht nicht mehr an sein Handy.«
»Was heißt das?«
»Er ist seit dem letzten Vollmond verschwunden. Und du, Nefer, hattest doch bestimmt einen dieser Ringe in deinem Ohr, sonst wärst du gar nicht hierhergekommen.«
Schrecklich logisch, dieses Mädchen. Man unterschätzte die Menschen wohl gelegentlich.
»Wo ist dein Ring geblieben, Nefer?«
Er knurrte.
»Könnte es wohl sein, dass Finn ihn dir abgenommen hat? Und könnte es wohl sein, dass Finn jetzt einen Ausflug mit deinen Kumpels in das schöne Land Trefélin macht?«
Zu diesem Schluss war er auch schon gelangt.
»Mit dem falschen Ankh um den Hals?«
Grässliche kleine Pute.
»Und was werden sie dort mit ihm machen, Nefer, mein Schöner, wenn sie es merken?«
»Worauf willst du hinaus, Felina?«
»Dass ihr ganz schön Scheiß gebaut habt. Und ich soll das jetzt ausbügeln, indem ich dir meinen Ring, das Erbe meiner Großmutter, und das Ankh, das ich geschenkt bekommen habe, übergebe.«
Nefer ärgerte sich über sich selbst, dass seine Pfoten verlegen das Polster kneteten. Ja, sie – und insbesondere er – hatten Scheiß gebaut.
»Vermutlich, Nefer, bin ich derzeit die Einzige, die überhaupt weiß, wo Finn ist und wie man ihn zurückbringen kann, denn mit Wohlwollen wird man ihn nicht empfangen, so wie ich die kätzische Natur einschätze.«
Es kam ziemlich selten vor, dass Nefer um eine Antwort verlegen war.
Das Flöten von Felis Handy enthob ihn einer gestammelten Erklärung.
»Langsam, Kristin, langsam«, sagte Feli und schüttelte den Kopf. Dann sagte sie in ganz bestimmtem Ton: »Nein, Kristin, das mache ich nicht.«
Diese Kristin schien einem hysterischen Anfall ziemlich nahe zu sein, wenn man dem aufgeregten Gequake in dem Hörer glauben konnte.
»Nein, nein, nein! Aber wenn du willst, komme ich rüber und helfe euch suchen.«
Feli steckte das kleine Gerät in ihre Hosentasche und sah ihn an.
»Nefer, ich muss rüber zu Kristin. Ihre schusselige Freundin Jenni hat einen Ohrring von Nerissa im Garten verloren.«
»Was für einen Ohrring?«, fuhr Nefer auf.
»Keinen solchen, wie du meinst. Einen Diamantstecker.«
»Und du sollst den finden?«
Jetzt sah Feli ein bisschen betreten aus.
»Sie glaubt, ich könnte das.«
»Warum kann sie das nicht selber?«
»Sechs Augen sehen mehr als vier, vor allem, wenn zwei davon verheult sind.«
»Du lügst.«
Nefer starrte Feli an, und Feli starrte zurück.
Sie hatte hübsche braune Augen, flog ihm durch den Sinn. Und sie verbarg etwas vor ihm.
»Ich komme mit. Ich kann auch suchen«, sagte er.
»Meinetwegen. Aber halt bloß die Klappe! Die kriegen ’nen Föhn, wenn wir miteinander reden.«
»Mich verstehen sie nicht. Du bist diejenige, die die Klappe halten muss.«
»Grrrr!«
»Deine Aussprache in Hochkätzisch lässt noch zu wünschen übrig.«
»Charmebolzen!«
Aber sie grinste, und eigentlich war sie ganz verträglich. Er heftete sich an ihre Fersen, als sie zum Nachbarhaus ging.
»Schau, so sieht der aus«, sagte Kristin und zeigte ein kleines Glitzerding vor.
»Und warum hat Jenni den verloren?«
»Sie wollte unbedingt Nerissas Klunker sehen und anprobieren. Und dann sind wir hier raus und haben Musik gehört und getanzt. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass nur noch ein Brilli in ihrem Ohr steckte.«
»Ziemlicher Mist. Der sieht teuer aus.«
Jenni schniefte.
Nefer schnüffelte an ihr.
»Ihhh, ich hab eine Katzenallergie.«
»Nefer, lass Jenni in Ruhe.«
Nefer setzte sich ruhig auf die Hinterpfoten. Es gab Momente, in denen man besser daran tat zu gehorchen. Nicht oft und nicht gerne, aber das hier war so einer. Er wollte ja etwas herausfinden.
»Ist das der verletzte Kater von neulich?«, fragte Kristin und kniete sich zu ihm nieder. Er ließ es sich gefallen, dass sie ihn einmal kurz über den Kopf streichelte, dann zog er sich aber zurück. Zu viel Vertraulichkeit durfte man den Menschen nicht
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