Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
ist nicht ihre Aufgabe. Sie haben keine Gefühle, für nichts und niemanden. Wir sind ihnen gleichgültig. Und wenn man eine Auskunft von ihnen haben will, bekommt man sie nur, wenn man zuvor ihre Frage beantwortet hat. Diese Rätsel, sagt man, sind sehr verzwickt.«
»Hast du Angst vor ihnen?«
»Ja.«
Che-Nupet hatte keine Angst gehabt, sie selbst schon. Dieser mächtige Löwenkörper, die gewaltigen Schwingen, das ernste Männergesicht des Sphinx hatte sie nie vergessen. Auch den Flug über den Schwarzen Sumpf nicht. Feli spürte, wie die Erinnerung daran ihr Nackenfell aufstellte.
Che-Nupet war die Tochter eines Sphinx, ihrer Mutter Sheshat musste er wohl doch gewisse Gefühle entgegengebracht haben. Oder? Sheshat trug ein Kopftuch und einen alten Namen. Sie hatte die Prüfungen bestanden. Was für ein Amt mochte sie innehaben? Und warum hasste sie ihre Tochter dermaßen? Oder schämte sie sich ihrer?
Aber das waren Fragen, die Feli Nefer nicht stellen wollte.
Schließlich überquerten sie den Avos Yen, und das liebliche Laubental lag vor ihnen. Die Weiden leuchteten in saftigem Grün, gesprenkelt mit weißen, gelben und roten Blumen. Von den Bergen des Mittelgrats schäumten Bäche auf die Ebene, bildeten hier und da Teiche. Tierherden grasten unter ausladenden Bäumen, an sonnigen Plätzen ruhten Katzen, viele mit ihren prunkvollen Kopftüchern. Andere tollten zwischen den Lauben herum oder saßen in ernsthaftem Gespräch vertieft im Kreis beieinander. Manche grüßten sie mit einem lächelnden Blick, einige maßen sie misstrauisch.
An der Laube, die Feli bewohnt hatte, blühten Heckenrosen. Ihre Rucksäcke waren ordentlich in einer Ecke verstaut, doch Mima war nicht aufzufinden. Dafür streckte Semir schon nach kurzer Zeit seine Nase durch die Ranken.
»Geht’s dir gut?«, fragte er, und Feli, die eigentlich nach der langen Wanderung ein wenig ruhen wollte, sprang von ihrem Lager, um ihn zu begrüßen.
»Ja, mir geht es gut. Und dir?«
»Ich muss wieder lernen«, stöhnte er und drehte die Ohren nach hinten. »Sie wollen, dass ich mich auf die nächste Prüfung vorbereite.«
»Ist das nicht eine Ehre?«
»Ist Lernen eine Ehre? Mir verknotet es das Gehirn.«
»Nur weil du Angst davor hast.«
Semir sah sie groß an.
»Angst? Ich hab keine Angst.«
»Dann kannst du auch lernen.«
Das schien eine neue Erkenntnis zu sein, und er knurrte leise: »Wenn du es sagst.« Dann schüttelte er das offensichtlich unangenehme Thema ab und meinte: »Amun Hab möchte dich sprechen.«
»Na gut. Ich komme mit.«
Feli bürstete sich schnell über Latz und Pfoten, dann trottete sie hinter Semir her zum Ratsfelsen. Der schwarze Weise lag bereits darauf, neben ihm saß Nefer.
»Der Mond rundet sich«, begrüßte Amun Hab sie und deutete an, dass sie hochspringen sollte.
»Ja, ich weiß. Morgen Nacht gehe ich zurück.«
»Wo ist Che-Nupet?«
»In den Grauen Wäldern, nehme ich an.«
»Sie sollte bei euch bleiben«, grummelte der Weise. »Immer verzieht sie sich in die Grauen Wälder.«
»Ich dachte, das sei ihre Aufgabe?«
»Die hat sie lange genug wahrgenommen. Nun, dann wird dich ein anderer nach Hause führen müssen.«
»Ich kann auch alleine gehen, Amun Hab. Ich glaube, so schwer ist das nicht.«
»Oh nein, du gehst nicht alleine. Dafür ist das Gebiet viel zu unsicher.«
»Vielleicht hat Che-Nupet schon etwas gefunden.«
Plötzlich beschlich Feli eine unangenehme Furcht. Ihre Freundin hatte Angst vor Schlangen. Eine geradezu übermächtige Angst. Was war ihr in den letzten Tagen geschehen? Warum war sie nicht hier? Sie wusste doch, dass Feli bei Vollmond zurückgehen würde.
»Wenn sie etwas entdeckt hat, sollte sie es uns melden«, murrte Amun Hab.
»Sie vergisst doch ständig die Zeit«, entgegnete Nefer.
»Oder die Zeit vergisst sie, dort in den Wäldern«, murmelte Feli. Ihr kam eine Idee. Sie könnte Che-Nupet rufen. Der Kreis der Bäume, darüber war sie zu erreichen. Feli streckte sich auf dem Felsen aus und schloss die Augen.
Eine silbrige Birke beschwor sie herauf, eine duftende Pinie, eine schlanke Weide und eine düstere Eibe, in der Mitte eine runde, grasbewachsene Lichtung. »Schnuppel, wir brauchen dich!«, rief sie in Gedanken. »Schnuppel, komm zum Ratsfelsen.«
Eine Brise raschelte durch die Zweige der Bäume. Dann löste sich das Bild auf.
»Sie wird bald hier sein«, sagte Feli zu Amun Hab.
»Ach ja?«
»Ja. Und in der Zwischenzeit werde ich mir einen Fisch fangen und
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