Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
gucken.«
Finn bezweifelte zwar, dass er etwas finden würde, aber er kletterte die Böschung wieder hoch.
»Ich sehe nach, was der Werkzeugkasten bietet.«
Eine Schaufel war natürlich nicht darin, aber ein breiter Schraubenschlüssel. Mit ihm in der Hand ging er zurück und kratzte ein wenig an der Stelle, die Che-Nupet aufgescharrt hatte. Nur ein paar Zentimeter tief hatte er gegraben, als er feststellte, dass die Katze recht hatte. Ein Stück helles, blutverklebtes Fell erschien. Sacht legte er den Rest frei.
Eine Kätzin, schlank, mit roten Ohren und einem rot-weiß geringelten Schwanz lag dort. Ihre Seite war aufgerissen, ihr Mäulchen stand offen.
Finn kniete nieder, hob sie vorsichtig aus der Erde und hielt sie in seinen Armen. Tränen liefen über seine Wangen, als er sie sanft hin und her wiegte.
Irgendwann spürte er Feli neben sich, ihre Arme um seine Schultern gelegt. Che-Nupet drückte sich an sein Bein. Beide schnurrten leise.
Und dann fing Che-Nupet durchdringend an zu heulen.
Feli stimmte mit ein.
Und er merkte, dass sich auch in seiner Kehle die Laute zur Großen Klage versammelten.
Oben hielt ein Fahrzeug, eine Frau schaute zu ihnen hinunter.
»Ist Ihnen etwas passiert? Kann ich helfen?«
Feli stand auf und antwortete ihr.
»Danke, aber ich fürchte, es gibt nichts mehr zu tun. Unsere Katze ist überfahren worden. Wir haben sie hier gefunden.«
»Oh, wie furchtbar. Wie schrecklich. Ich habe mein Morle letztes Jahr auch auf diese Weise verloren.«
»Wir bringen sie nach Hause. Komm, Finn. Ich hole eine Decke aus dem Auto.«
Die Frau reichte Feli die Hand und half ihr hoch. Das Mädchen bedankte sich noch einmal, während Finn langsam aufstand, die schlaffe Seba in seinen Armen.
»Fahr zum Feliday-Inn, Finn. Ich möchte eines ihrer Kopftücher holen«, sagte Feli, als sie im Auto saßen.
Er nickte und fädelte sich in den Verkehr ein. Da waren Trauer und das Gefühl eines großen Verlustes. Aber darunter dräute eine andere Empfindung. Etwas Wichtiges lauerte dort, etwas, das er übersehen hatte.
Kopftuch?
»Was willst du mit dem Kopftuch, Feli?«
»Sie darin begraben.«
Ja, Seba musste begraben werden.
»Sollte sie nicht nach Trefélin zurückgebracht werden?«
»Bleibt sie hier. Wird ihre Seele schon wissen. Bring sie zum Dolmen, ne.«
»Ja, du hast recht, Che-Nupet. Wir bringen sie zum Übergang. Sem, Pepi und Ani werden dazukommen.«
Ronya Miou fragte nichts, sagte nichts, sie gab ihnen ein großes orangegoldenes Seidentuch und streichelte die Tote mit Tränen in den Augen.
Finn fuhr anschließend zum Forsthaus, um die drei Kater abzuholen.
Ani und Pepi saßen auf den Zaunpfosten und erwarteten ihn schon.
»Wo ist Sem?«
»Weg.«
»Weg?«
»Versteckt sich. Die Polizei sucht ihn.«
»Bitte?«
»Sie waren hier und wollten ihn mitnehmen. Wir haben es gerade noch gemerkt. Er ist in den Wald geflohen.«
Finn sah die beiden verständnislos an.
»Was sollte denn die Polizei von Sem wollen?«
»Er ist verdächtig. Sie glauben, er hat den Bus kaputtgemacht.«
»Das ist doch idiotisch.«
»Ist es nicht. Rudi hat gesagt, er muss aufpassen, weil seine Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist.«
»Rudi? Was weiß der denn davon?«
»Der war ein paarmal hier. Er stellt unheimlich viele Fragen. Darum hat Sem ihm die Geschichte vom letzten Jahr erzählt – Asylant, Kulturschock, Psychiatrie, Unterkunft und Papiere und so. Hat doch damals gut geklappt. Nur als die Meldung von dem Unfall kam, da wurde es ihm mulmig. Und Rudi kam gestern Abend auch noch vorbei. Er wollte sich erkundigen, ob wir etwas von Tija und Seba gehört hätten.«
»Was hat Sem ihm erzählt?«
»Das, was du ihm gesagt hast. Und da hat Rudi gemeint, dass die Polizei ihn bestimmt für verdächtig hält, weil er die beiden kannte und doch einer mit Migrationshintergrund ist. Was immer das bedeutet. Und klar, die kamen vorhin auch.«
»Hätte der Idiot nur Rudi gegenüber die Klappe gehalten. Der Junge ist unberechenbar. Aber was soll’s. Holt ihn, Ani, wir wollen Seba zum Dolmen bringen.«
»Ihr habt sie gefunden?«
»Ja, sie ist tot«, sagte Finn leise.
Der Himmel hatte sich zugezogen, und ein stürmischer Wind rauschte durch die Blätter, als sie Seba, in ihr Tuch gehüllt, in eine tiefe Grube neben dem Dolmen legten. Der Abschied von ihr schien auch den drei Katern wehzutun. Sie heulten ihre Klage, und irgendwo zwischen den Bäumen heulten auch die Waldkatzen mit. Dann deckten sie Sebas Leib mit
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