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Jagablut

Jagablut

Titel: Jagablut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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ich.
    »Ja, verdammt, das weiß ich«, entgegnete sie und schüttelte ihre Mähne.
»Das gibt’s doch nicht, dass in diesem Haus kein zweiter Schlüssel zu der
Wohnung zu finden is’!«
    »Vielleicht fragen Sie den Hausmeister, Frau Steiner.«
    »Seywald«, sagte sie. »Jacqueline Seywald. Seit wann gibt’s denn hier
einen Hausmeister?« Die falschen Wimpern, die wie Fliegenbeine um ihre Augen
standen, bewegten sich hin und her, als hätten sie ein Eigenleben. »Und wieso
hat der einen Schlüssel? Seit wann lässt mein Vater hier überhaupt jeden rein?«
    »Der Hausmeister heißt Kaml und hat, soweit ich weiß, Schlüssel fürs
ganze Haus.«
    »Ach – Sie kennen sich ja hier gut aus.« Die Blonde verschränkte die
Arme vor der Brust. »Sie sind wohl auch so ein komischer Dauermieter, was?«
    »Wahrscheinlich ist es wirklich besser, Sie warten, bis Ihr Vater
zurückkommt.« Ich wollte an ihr vorbei zur Gaststube gehen, aber sie versperrte
mir den Weg. »Sie entschuldigen mich …?«
    Doch Frau Seywald war noch nicht fertig. »Höchste Zeit, dass sich hier
einiges ändert.« Sie ließ ihren Blick über Schlüsselbrett und Hirschgeweihe
wandern. »Geputzt wird in diesem Haus auch nicht. Gibt es hier überhaupt eine
Putzfrau?«
    Erwartete sie etwa von mir eine Antwort?
    »Mein Vater ist einfach zu alt für den Laden hier.« Sie warf ihr Haar mit
einem Schwung über die Schulter und schritt zur Eingangstür. Dort drehte sie
sich noch einmal zu mir um. »Und sagen Sie der Putzfrau, wer immer das ist,
dass es hier erbärmlich stinkt.« Sie riss die Tür auf. Ein eisiger Luftzug fuhr
durch die Halle, und glitzernde Hagelkörner hüpften über die Steinplatten. Dann
schlug die Tür hinter ihr zu.
    Ich schnupperte ein wenig, und zuerst konnte ich nicht feststellen, was
Frau Seywald so gestört hatte. Mir stieg nur der etwas stechende Duft nach
Wäschestärke, den die Leinenkissen auf der Truhenbank verströmten, in die Nase.
Doch dann roch ich es. Ein unangenehmer Hauch von Fäulnis, den man noch nicht
direkt als übel riechend beschreiben würde, zog als feine Geruchsspur durch die
Halle. Konnte das von den ausgestopften Tieren kommen? Was lag eigentlich unter
der präparierten Haut?
    Das Telefon auf dem alten Holztisch klingelte. Auch beim vierten Läuten
war noch niemand erschienen, um das Gespräch anzunehmen. Also ging ich hinüber
und hob den Hörer ab.
    »Gasthof Zum Jagawirt?«
    Keine Antwort.
    »Hallo?«
    Am anderen Ende der Leitung hörte ich erst schweres Atmen, dann eine
asthmatische Männerstimme. »Wetti? Bist du’s? Hier ist der Hias. Geh, sag dem
Wirt, er soll an den Apparat kommen.«
    »Canisius«, sagte ich. »Ich bin hier Gast.«
    »Wer?«, fragte die schnaufende Stimme. »Hier is’ der Holzinger Matthias.
Wo is’ der Steiner denn wieder?«
    Offenbar war der Wirt schon heute von seinem Jagdausflug zurückgekehrt.
Denn hatte Kaml nicht gesagt, er wäre in Begleitung eines Matthias Holzinger
aufgebrochen? So wie der Mann am Telefon klang, zählte er auf jeden Fall zu
meinen künftigen Patienten.
    »Ach ja, der Herr Holzinger«, sagte ich und bemühte mich um einen guten
ersten Eindruck. »Wie war’s denn auf der Jagd? Waidmannsheil gehabt?« Ich
schaute zu einem Hirschgeweih mit mächtiger Krone hinauf. Irgendwie roch es
jetzt doch aufdringlich.
    »Freilich, gut is’ gewesen, einen Einsergams hab ich gestern am Geiereck
geschossen. Aber verdammt kalt is’ schon droben …« Ein trockener Husten
unterbrach seine Worte. »Wo is’ denn nun der Steiner? Es wär wichtig.«
    Vielleicht hatte sich der Wirt gleich nach seiner Rückkehr hingelegt und
schlief nach den Strapazen der letzten Tage so fest, dass er vorhin seine
Tochter gar nicht gehört hatte. Oder er wollte einfach nicht mit ihr sprechen,
was mir noch wahrscheinlicher schien.
    »Moment, ich hole ihn ans Telefon.« Ich legte den Hörer neben den
Apparat.
    Als ich durch die Halle ging, knarrte eine Treppenstufe. Der alte Herr
Wenghofer stand auf der Mitte der Treppe. Mit einer Hand hielt er sich am Geländer
fest, mit der anderen stützte er sich auf seinen Gehstock. Sein Gesicht lag im
Schatten. Das Läuten des Telefons hatte ihn wohl alarmiert. Er hätte ja auf
sich aufmerksam machen können. Da ich es nicht schätzte, belauscht zu werden,
ging ich grußlos weiter.
    Ich klopfte an die Wohnungstür. »Herr Steiner?«
    Niemand antwortete.
    »Herr Steiner, Telefon für Sie!«
    Wieder blieb alles ruhig. Entweder war der Wirt nicht zu Hause, oder

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